In der Tat lassen die neusten Daten zwar auf eine gewisse Erholung bzw. Stabilisierung der Lage schließen, über den Berg scheint man aber noch längst nicht zu sein. So gingen in den USA die Anträge auf Arbeitslosenunterstützung zwar weiter zurück, blieben jedoch in der zehnten Woche in Folge über zwei Mio., was die Summe während der letzten 2,5 Monate auf über 40 Mio. ansteigen lässt. Der Arbeitsmarktbericht für Mai, der diese Woche ansteht, wird voraussichtlich eine Arbeitslosenquote von rund 20% aufweisen, die höchste seit der Weltwirtschaftskrise, als sie einen Höchststand von geschätzten 25,6% erreichte. Trotz dieser schlechten Aussichten auf dem Arbeitsmarkt stieg das US-Verbrauchervertrauen im Mai etwas an, nachdem es im Vormonat noch im Rekordtempo eingebrochen war. Der Anstieg ist auf die leicht verbesserten Erwartungen zurückzuführen. Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung, die auch schleppend verlaufen könnte, bleibt jedoch bestehen: Das bestätigt der Konjunkturbericht der amerikanischen Notenbank Fed. Er zeigte, dass die meisten Notenbank-Distrikte trotz der allmählichen Wiedereröffnung der Wirtschaft eher pessimistisch in Bezug auf das Tempo der Erholung eingestellt sind.
Auch in der Eurozone hat sich die Wirtschaftsstimmung von einem Rekordtief im Mai nach der Lockerung der Pandemiebeschränkungen verbessert. Die Beschäftigungserwartungen in der Umfrage der europäischen Kommission erholten sich zwar wieder, blieben jedoch auf einem historisch niedrigen Niveau. Der Verlust von Arbeitsplätzen scheint hier gerade erst zu beginnen, insbesondere in Branchen, die am stärksten von der Pandemie betroffen sind.
Für Deutschland sieht Ifo-Präsident Clemens Fuest „einen Hoffnungsschimmer“, nachdem die Umfrage des Forschungsinstituts zum Geschäftsklima im Mai anstieg, bedingt von einem optimistischeren Ausblick. Gleichzeitig ist jedoch die Zahl der Kurzarbeiter dem Ifo-Institut zufolge im Mai auf 7,3 Mio. gestiegen. “Diese Zahl war noch nie so hoch”, sagte Ifo-Arbeitsmarktexperte Sebastian Link am Dienstag. “In der Finanzkrise lag der Gipfel der Kurzarbeit im Mai 2009 bei knapp 1,5 Mio. Menschen.” In einer aktualisierten Prognose sieht das Institut das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr voraussichtlich um 6,6% sinken. Im kommenden Jahr soll es dann von diesem niedrigen Niveau aus um 10,2% nach oben gehen.
Besonders betroffen von den Eindämmungsmaßnahmen ist bekanntermaßen der stationäre Handel. So fielen auch die Einzelhandelsumsätze in Deutschland im April um über 5% im Monatsvergleich. Dies ist der stärkste Umsatzrückgang gegenüber einem Vormonat seit 2007. Trotz mittlerweile wieder geöffneter Geschäfte reichen die Einnahmen dem Handelsverband Deutschland (HDE) zufolge bei weitem nicht an das Vorkrisenniveau heran. “Die Krise ist also keinesfalls vorbei”, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth und fordert weitere staatliche Hilfen.
Diese Hilfen seitens der Fiskal- und Geldpolitik nehmen mittlerweile immer konkretere Formen an. Die Europäische Kommission schlug letzte Woche einen Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Mrd. Euro vor, von denen 500 Mrd. Euro als Zuschüsse an die Mitgliedstaaten verteilt werden sollen. Auch für Deutschland bereitet die Bundesregierung ein zweites Konjunkturpaket in Höhe von bis zu 100 Mrd. Euro vor, um die Erholung der Wirtschaft zu unterstützen. Mögliche Maßnahmen reichen vom Schuldenerlass für benachteiligte Gemeinden bis hin zu Bargeldprämien zur Stimulierung des Autokaufs und Hilfen für Familien mit Kindern.
Auch das Treffen des EZB-Rats an diesem Donnerstag wird im Blick der Märkte sein. EZB-Präsidentin Christine Lagarde zeigte sich vor dem Treffen pessimistischer: Die Vorhersage der Zentralbank für einen Rückgang des BIP um 5% in diesem Jahr wurde als veraltet angesehen. Das derzeit wahrscheinlichste Szenario ist inzwischen ein Rückgang zwischen 8% und 12%. Daher könnte es beim Treffen zu einer weiteren Lockerung der Geldpolitik kommen. Erwartet wird beispielsweise, dass die EZB ihr Notfall-Anleihekaufprogramm weiter ausweiten könnte. Unterstützt wird diese Vermutung durch die niedrige Inflationsrate, die im Mai auf 0,1% im Jahresvergleich zurückgegangen ist. Experten erwarten, dass die Rate aufgrund des Wirtschaftseinbruchs in den nächsten Monaten niedrig bleiben wird.
Spannend bleibt daher die Frage, was von den Konjunkturpaketen und den Unterstützungsmaßnahmen seitens der Geldpolitik an den Börsen bereits eingepreist ist. Es ist durchaus denkbar, dass die Aktienkurse wieder den Rückwärtsgang einlegen, sollten die Investoren von den Maßnahmenpaketen der Fiskal- und Geldpolitik enttäuscht sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte bereits, dass sie keine Einigung des europäischen Wiederaufbaufonds im Juni erwartet und dass die Verhandlungen nicht einfach sein werden.