Covid-19 hat die Weltwirtschaft schwer erschüttert. Im Euroraum schrumpft das Bruttoinlandsprodukt 2020 um voraussichtlich rund 8%. Dies sind historische Ausmaße. Auch die Arbeitslosenrate droht in Richtung 10% anzusteigen, laut Europäischer Kommission in ihrem Frühjahrsgutachten. Es hätte aber noch schlimmer kommen können –ohne die großzügigen staatlichen Maßnahmen wie Kurzarbeit, Kreditgarantien und Steuererleichterungen. Doch derartige Eingriffe werden die Staatsverschuldung kräftig nach oben treiben. Allein in Deutschland wird die Verschuldung, von unter 60% der Wirtschaftsleistung, auf geschätzte 76% steigen. Im Euroraum könnten es mehr als 100% werden.
Gedanken über Geldwert
Was bedeutet das für die Geldwertstabilität? Inflation beeinflusst die Politik der Notenbanken, Finanzierungskosten von Staaten und Privatsektor, ebenso wie Anlageentscheidungen. In diesem Umfeld gestalten sich Meinungen und Prognosen momentan vielfältig. Die privaten Haushalte sehen wachsende Staatsschulden und eine immer stärker gelockerte Geldpolitik. Steigende Preise werden hier befürchtet. In der monatlichen Umfrage der Europäischen Kommission kletterte die Inflationsangst zuletzt auf den nahezu höchsten Stand seit 2012. Jedoch erwartet die Europäische Zentralbank das Gegenteil: Maximal 0,3% Inflation in diesem Jahr, gefolgt von einem Anstieg auf 0,8% in 2021 und 1,3% in 2022. Das offizielle Ziel einer Inflationsrate von nahe, aber unter 2%, wäre damit klar verfehlt. Bundesbankchef Jens Weidmann legt sich hierzu nicht fest und verkündet in einem Interview: „Der Inflationsausblick ist höchst ungewiss.“ Ebenso unklar ist, wer am Ende Recht behalten wird.
Verbreitete Inflationsbedenken
Die Haushalte sind nicht alleine mit ihren Inflationssorgen: Gold gilt allgemein als guter Schutz gegen Geldentwertung. Es notierte zuletzt nahe seiner Höchststände von 2012. Getrieben wird die Inflationsangst auch von der Vorstellung, dass sich die gesamtwirtschaftliche Nachfrage schnell erholen wird, sobald die Coronakrise abebbt. Kurzarbeit-Programme haben einen starken Anstieg der Arbeitslosenraten im Euroraum bislang verhindert. Mit dem Ende des „Lockdown“ zieht auch der Konsum wieder an. Einen Vorgeschmack boten die USA. Hier stiegen die Mai Einzelhandelsumsätze in Rekordhöhe, um 18%.
Zusätzlich befeuert wird diese Nachfrage von staatlichen Stützungsmaßnahmen. Sie helfen, die Pandemiefolgen abzufedern und wirken zudem auch ins Jahr 2021 hinein. Bundesfinanzminister Olaf Scholz spricht offen davon, die Konjunkturerholung mit einem „Ruck“ einzuleiten.
Indes Insolvenzsorgen
Die höhere Nachfrage trifft auf eine pandemisch beeinträchtigte Angebotsseite der Wirtschaft. Einige Unternehmen werden aus dem Markt ausscheiden. Hierdurch wird in vielen Branchen das Angebot verknappt – insbesondere im Dienstleistungsbereich. Die Wirtschaftsauskunftei CRIF Bürgel erwartet für 2020 und auch 2021 einen deutlichen Anstieg der Insolvenzen. Allein in diesem Jahr könnten es 29.000 sein. Zum Vergleich: Im Vorjahr betrug die Anzahl der Pleiten nur 19.005. Aber auch Unternehmen, die nicht den Gang zum Konkursrichter antreten müssen, sehen sich aufgrund der Pandemie mit steigenden Kosten konfrontiert. Verstärken würde sich dieser Kostendruck, wenn Covid-19 auch ein Umdenken über Globalisierungsfolgen und „Just-in-time“ Produktion auslöst. Die Pandemie zeigte bereits Verletzlichkeit von Unternehmen und ihrer Produktionsmodelle, bei einer Störung der weltweit verzweigten Lieferketten. Wenn Unternehmenslenker in Zukunft lieber höhere Lagerbestände halten, ihre Zulieferer stärker diversifizieren oder Produktion „inhouse“ organisieren, werden Unternehmen zwar weniger verwundbar. Doch diese Sicherheit hat ihren Preis, den letztendlich der Kunde zahlen wird.
Die Sichtweise vieler Staaten
Angesichts ihrer hohen und weiter zunehmenden Verschuldung, wären viele Staaten über stärkere Inflation gar nicht unglücklich. Insbesondere, wenn die Notenbanken mit ihren Kaufprogrammen dafür sorgen, dass Finanzierungskosten trotz allem niedrig bleiben. Auch geraten Alternativen der Haushaltskonsolidierung, wie Steuererhöhungen oder Sparen, gerne in Vergessenheit. Dennoch ist es keine ausgemachte Sache, dass es zu dem befürchteten (oder erhofften – je nach Perspektive) Inflationsschub kommt. Auch nach der Finanzkrise gab es Stimmen jener Erwartung, dass die Notenbanken mit ihrer Politik der Inflation den Weg bereiten. Doch tatsächlich betrug die Preissteigerung im Euroraum seit 2009 nicht mehr als durchschnittlich 1,4%.
Kurzarbeit als Unsicherheitsfaktor
Ob die Corona-Krise tatsächlich bald vorbei ist? Ob Haushalte zu ihrem gewohnten Konsumverhalten zurückkehren? Ob Unternehmen ihre Zurückhaltung bei Investitionen ablegen? Alles ist höchst ungewiss. Steigende Infektionszahlen in über 20 US Bundesstaaten und der jüngste Ausbruch in Peking zeigen, dass die Gefahr einer zweiten Welle keineswegs gebannt ist. Für die OECD ist die Wahrscheinlichkeit eines Szenarios, in dem die wirtschaftliche Erholung deutlich schwächer ausfallen würde, bei 50%. Damit wäre ein inflationstreibender gesamtwirtschaftlicher Nachfrageüberhang vom Tisch; trotz staatlicher Hilfspakete. Insbesondere, wenn Staatshilfen den Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht verhindern, sondern nur hinauszögern. Stichwort: Kurzarbeit. Denn derzeit sind in den großen Euroraumstaaten sowie in Großbritannien ca. 45 Millionen Menschen in Kurzarbeit-Programmen; etwa ein Drittel aller Beschäftigten. Doch diese Programme sind teuer. Sie würden auch zunehmend weniger Sinn machen, bliebe die wirtschaftliche Erholung aus. Wird dann die staatliche Unterstützung zurückgefahren, könnte dies für Millionen Arbeitnehmer den Weg in die Arbeitslosigkeit bedeuten. In einer kürzlich veröffentlichten Studie befürchtet die Allianz, dass von 45 Millionen Kurzarbeitern rund 9 Millionen arbeitslos werden könnten. Dies wäre vor allem in pandemisch stark betroffenen Branchen der Fall, wie Tourismus, Gaststättengewerbe oder Einzelhandel. Höhere Arbeitslosenraten sollten sich dämpfend auf die Lohnentwicklung auswirken und dabei wenig Raum für höhere Inflation lassen.
Unsicherer Ausblick
Die Pandemie könnte auch strukturelle, inflationssenkende Änderungen bewirken. Dazu zählen: Eine dauerhaft höhere Sparquote der Haushalte aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheit. Zudem die Verstärkung des ohnehin bestehenden Trends in Richtung Digitalisierung und E-Commerce. Weniger grenzüberschreitender Tourismus, würde auch die Nachfrage nach Öl dämpfen. Angesichts dieser Unwägbarkeiten kann man sich der Aussage von Jens Weidmann nur anschließen: Der Inflationsausblick ist höchst ungewiss.