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Die Ökonomie von sportlichen Großereignissen

„Wir hatten keine andere Wahl“. Diese Aussage der Olympia-Organisationschefin Seiko Hashimoto erklärt im Sinne der japanischen Regierung, dass die jetzigen Olympischen Spiele keine Zuschauer erlauben. Doch nicht nur Zuschauer fehlen bei den Wettkämpfen. Auch der Top-Sponsor Toyota hat kurz vor Beginn der Spiele sein öffentliches Engagement eingeschränkt. Gleichzeitig zeigen Umfragen, dass ein Großteil der Bevölkerung eher eine Verschiebung oder eine Absage der Spiele bevorzugt hätte.

Auch anderenorts zeigte sich mehrfach Skepsis. So stellt sich die Frage, warum Regierungen stark an sportlichen Großereignissen festhalten, auch wenn ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger dagegen ist. Japan versprach sich von Olympia eine Ankurbelung der krisengeplagten Wirtschaft: 40 Mio. Touristen sollten ursprünglich für das Spektakel ins Land kommen. Außerdem sollten die Spiele 127 Mrd. US-Dollar zusätzliche Nachfrage schaffen. Dazu hoffte man, das Event würde auch ein Prestigegewinn für Japan bringen.

 

Historische Erfahrungen als Lehre

Die Erfahrung mit derartigen sportlichen Großereignissen ist jedoch nicht immer von Erfolgsgeschichten geprägt – auch ohne Pandemie. Hierzu gab der Bundestag im Jahr 2014 eine Ausarbeitung in Auftrag, die potenzielle wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Relationen darstellen sollte. Besonders interessant waren vergangene Großereignisse und die Lehren aus ihnen: Bei den Olympischen Sommerspielen von Los Angeles im Jahr 1984 wurden beispielsweise eher positive Erfahrungen gemacht. Damals wurden ausschließlich bereits bestehende Sporteinrichtungen bespielt, was zu einem hohen Gewinn führte. Auch Sydney 2000 war eine Erfolgsgeschichte. Der Tourismus wurde gestärkt und die Infrastruktur weiter ausgebaut. Es gab jedoch auch Negativbeispiele – insbesondere die Olympischen Spiele von Montreal im Jahr 1976. Hier wurden viele neue Sportstätten errichtet, darunter ein neues Olympiastadion. Das Infrastruktur-Budget der Spiele führte jedoch zu hohen Defiziten im städtischen Haushalt. Diese bewirkten, dass die Stadt noch bis 2006, also 30 Jahre lang, ihre Olympia-Schulden abbezahlen musste.

 

Regelmäßig ausufernde Kosten

Gemeinsam scheint den Veranstaltungen nur eines zu sein: Das veranschlagte Budget und die realisierten Kosten divergieren regelmäßig. In Montreal betrugen die finalen Kosten 1,5 Mrd. US-Dollar. Veranschlagt waren jedoch nur 310 Mio. US-Dollar. Dies bedeutet eine Überreizung des Budgets um das Fünffache. Auch das Budget zu Londons Bewerbung für die Spiele 2012 stieg vom Ausgangswert 3,3 Mrd. US-Dollar auf mehr als 12,7 Mrd. US-Dollar. Eine Studie dazu fand heraus, dass jede Olympiade seit 1960 zu viel Geld ausgegeben hat – inflationsbereinigt durchschnittlich 172%. Doch nicht nur die Kosten für Olympia laufen regelmäßig aus dem Ruder. Auch bei der Fußballweltmeisterschaft in Südafrika 2010 wurden die Aufwendungen deutlich unterschätzt. Veranschlagt waren hier 343 Mio. US-Dollar. Tatsächlich ausgegeben wurden hingegen stolze 7 Mrd. US-Dollar, das Zwanzigfache. Ähnlich erging es der WM in Brasilien vier Jahre später: Die Kosten betrugen rund 40 Mrd. US-Dollar; ursprünglich wurde mit 15 Mrd. kalkuliert.

 

Positive Impulse eher kurzfristig

Während die Kosten noch relativ einfach zu berechnen sind, ist eine genaue Einschätzung des Nutzens schwieriger. Kurzfristig sind positive Einkommens- und Beschäftigungseffekte für die lokale Bevölkerung durchaus zu erwarten. Auch fiskalische Folgeerscheinungen aus zusätzlichen Steuereinnahmen sind noch abschätzbar. Optimisten sehen solche Großveranstaltungen daher als konjunktur-, struktur- und wachstumspolitisches Programm. Auch weil das Spektakel zum Teil über externe Fernseh- und Marketinggelder finanziert wird. In der Tat bezieht das Internationale Olympische Komitee (IOC) mehr als 90% der Einnahmen von Sponsoren sowie aus dem Verkauf von Fernsehrechten. „Sponsor eines Sportereignisses zu sein, maximiert die Zahl der Augen, die dein Unternehmenslogo sehen“, erklärt hierzu Michael Naraine, Professor und Experte für Sportfinanzen. Hinzu kommt, dass beim Sport Lohn- und Gewinneinkommen entstehen, Konsum- sowie Investitionsentscheidungen getroffen, Steuern gezahlt und Subventionen gewährt werden.

Doch außerhalb des Sportsektors scheint der Effekt relativ gering zu sein. Ein Grund dafür ist seine geringe Spartengröße im Vergleich zur Gesamtökonomie. So ergaben Auswertungen zur Sportwirtschaft aus dem Jahr 2016 einen Anteil von rund 2,3% an der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung in „normalen“ Zeiten. Aufgrund dieses geringen Anteils und des vorübergehenden Charakters zeigt sich volkswirtschaftlich meist auch nur ein relativ kleiner Impuls. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Ausarbeitung für den Deutschen Bundestag. Sie zieht daher öffentliche Investitionen in sportliche Großveranstaltungen in Zweifel.

 

Langfristiger Nutzen oft umstritten

Langfristwirkungen könnten positive Imageeffekte sein, die der austragenden Stadt bzw. Region zu höheren Tourismuszahlen verhelfen. Auch dürfte eine positive externe Wahrnehmung die Attraktivität als Industriestandort steigern. Infrastrukturmaßnahmen und städtebauliche Veränderungen können sich demnach mittelfristig positiv auf den Wirtschaftsstandort auswirken. Als Beispiel nennt der Bericht des Bundestages die Olympischen Spiele in München. Im Nachgang der Wettkämpfe stieg die Stadt zur internationalen Metropole auf und avancierte zu einer der am stärksten wachsenden Städte Deutschlands. Welchen Anteil hierbei die Infrastrukturmaßnahmen bzw. die Olympischen Spiele 1972 hatten, lässt sich freilich nur schwer beziffern. Mangelnde Quantifizierbarkeit des langfristigen Nutzens erschwert also die Bewertung von sportlichen Großereignissen.

 

Skepsis prägt den Ausblick

In jüngster Zeit sollten sportliche Großereignisse vermehrt den Imageaufbau eines Landes im Ausland fördern. China bezweckte mit den Spielen von Peking 2008, die gewachsene Position des Landes zu demonstrieren. Auch Russland wollte bei den Winterspielen 2014 sein Image aufpolieren. Es versuchte sogar, mit einem staatlich unterstützten Dopingprogramm seine Athleten in einem besseren Licht darzustellen. Neben wachsender Kritik am Verhalten der Sportverbände, rücken auch vermehrt ökologische Folgen ins Rampenlicht. So entscheiden sich immer wieder Städte, ihre Bewerbungen aufgrund des Widerstands von Bürgerinnen und Bürgern zurückzuziehen. München widerrief beispielsweise seine Bewerbung für die Olympischen Winterspiele 2022 im November 2013, als bei den Bürgerentscheiden keine Mehrheit erreicht wurde.

Die nächsten Olympischen Spiele werden planmäßig die Winterspiele 2022 in Peking sein. Im gleichen Jahr findet die Fußballweltmeisterschaft in Katar statt. Zunehmend wird bereits diskutiert, ob sportliche Großereignisse nur noch in autokratischen Ländern stattfinden können, die der Bevölkerung weniger Mitspracherechte einräumen. Ob die Rechnung zu Olympia für die japanische Regierung aufgeht, wird sich auch im Herbst zeigen, wenn die Parlamentswahlen anstehen. Spätestens dann werden die japanischen Wählerinnen und Wähler die holprige Durchführung der Spiele in diesem Sommer bewerten. Das Ergebnis wird sicherlich von Politiker in Frankreich und Italien mit Interesse beobachtet. Denn hier werden die Spiele 2024 und 2026 stattfinden.

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