Wir erleben turbulente Zeiten. Denn das Coronavirus hat die Welt weiterhin im Griff. In vielen Ländern wurden umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen für den Kampf gegen die Pandemie erhoben: Öffentliches Leben wurde soweit wie möglich heruntergefahren. Über längere Zeiträume durften lediglich systemrelevante Geschäfte öffnen. Derartige Eingriffe zeigten massive negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Fabrikationsbetriebe stellten teilweise ihre Produktion ein. In zahlreichen Dienstleistungsbereichen kam es zu starken Einschränkungen. Diese und unzählige weitere Folgen bewogen viele Staaten dazu, ihre heimische Wirtschaft mit finanziellen Hilfspaketen in beispiellosen Höhen zu unterstützen. Werden diese Maßnahmen reichen? Neben kritischen Konsequenzen für die Realwirtschaft, könnten ausfallende Kredite auch große Belastungen für die Finanzbranche bergen. Die Europäische Zentralbank (EZB) denkt, dass es für die Stabilisierung des europäischen Finanzsystems einer weiteren essentiellen Hilfsmaßnahme bedarf. Wie aus EZB-Kreisen vernehmbar, existieren Pläne für die Gründung einer europäischen Bad Bank.
Hintergründe des EZB Bad-Bank-Plans
Es wird befürchtet, dass mit den wirtschaftlichen Coronavirus-Folgen, der Bestand an »Non-Performing-Loans« (NPLs) in den Bilanzen europäischer Banken signifikant ansteigt. Unter NPLs versteht man Kredite, bei denen der Kreditnehmer nicht den vertraglich festgelegten Zahlungsverpflichtungen nachkommt. Zudem ist hierbei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das gesamte vertragliche Abkommen nicht erfüllt wird. Ein Anstieg der NPL-Bestände könnte zusammen mit den Altlasten aus der Finanzkrise 2008 (die sich immer noch in den Büchern europäischer Kreditinstitute befinden), eine kritische Entwicklung in Gang setzen. Die Zentralbanker befürchten, dass die Kreditvergabe-Optionen europäischer Banken empfindlich gestört werden könnten. Hier käme die Bad Bank ins Spiel. So äußerte die EZB den Vorschlag, die europäischen Banken mithilfe einer Bad Bank von den Altlasten aus der Finanzkrise 2008 zu befreien. Damit könnten die Geldinstitute den Anstieg der NPLs durch die Pandemie besser auffangen. Laut den Zentralbankern würde man somit eine starke Einschränkung der Kreditvergabe europäischer Banken in naher Zukunft verhindern. Denn neben den Eindämmungsmaßnahmen verkörpern auch mangelnde Kredite eine große Gefahr für die Wirtschaft.
Kritik am EZB-Vorschlag
Die Idee der Gründung einer Bad Bank stößt in Europa nicht nur auf positive Reaktionen. So betont beispielsweise die Europäische Kommission: Wir verfügen über klare Regeln zu Hilfsmaßnahmen für Banken – die Gründung einer Bad Bank entspricht diesen nicht. Es gäbe deutlich bessere Alternativen, ergänzte die Kommission. Weitere Kritik an den Plänen der EZB kommt von Gerhard Hofmann, Mitglied des Vorstandes im Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken. Hofmann erklärt gegenüber der FAZ: „Der EZB-Vorschlag suggeriert, dass die nächste Bankenkrise kurz bevorsteht. Dieses Signal wäre fatal und könnte zusätzliche Ängste erzeugen.“ Zudem wäre es falsch, Banken von den Kosten ihrer Verluste und Risiken zu befreien. Hofmann sieht die Gefahr der Entstehung eines »Moral Hazard«. Unter Moral Hazard versteht man hier einen fehlenden Anreiz, sich vor einem bestimmten Risiko zu schützen, da man bereits gegen dieses Risiko abgesichert ist. Ebenfalls nicht überzeugt wirkt Martin Zielke, Vorstandsvorsitzender der Commerzbank und Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken. Nach Zielkes Meinung ist es gegenwärtig deutlich zu früh, die Gründung einer Bad Bank zu erwägen.
Auch Befürworter melden sich
Eine andere Sicht vertritt Yannis Stournaras, Präsident der griechischen Zentralbank und Ratsmitglied der EZB. Stournaras ist klarer Befürworter einer Bad Bank. Die Bad Bank sei ein geeignetes Instrument, Banken gegen den Anstieg der NPLs durch die Coronakrise zu unterstützen. Auch sollte die Gründung einer europäischen Bad Bank, laut Stournaras, zeitnah erfolgen. Vor allem den griechischen Banken würde eine Bad Bank deutlich helfen. Denn im Vergleich mit anderen europäischen Banken haben die griechischen einen deutlich größeren Bestand an NPLs in ihren Büchern. Hier belief sich der NPL-Anteil gegen Ende 2019 auf ca. 35%, gemessen am gesamten Kreditbestand. Jedoch war die Situation vor vier Jahren noch weitaus schlechter. Seither haben griechische Geldinstitute das Volumen an NPLs um ca. 40% reduziert. Die Pläne der Banken in Griechenland, weitere 32 Mrd. Euro an NPLs abzubauen, könnten nun durch die Pandemie erheblich gestört werden. Um die Banken in ihrer positiven Entwicklung zu unterstützen, wäre eine Bad Bank von Nöten, so Yannis Stournaras.
Ein weiterer, prominenter Bad Bank Befürworter ist der Italiener Andrea Enria, Vorsitzender der EZB-Bankenaufsicht. Enria setzte sich schon vor zwei Jahren für die Gründung einer europäischen Bad Bank ein. Jedoch stießen seine Pläne bereits damals in Deutschland auf Widerstand. Deutschland befürchtete, dass durch die Weitergabe von NPLs an eine europäische Bad Bank letztendlich deutsche Steuerzahler belastet werden.
Als Andrea Enria vor zwei Jahren die Gründung einer Bad Bank ins Spiel brachte, betrug das Volumen an NPLs in der Eurozone ca. 1 Bio. Euro. Gegen Ende 2019 umfasste dieser Bestand nur noch die Hälfte (ca. 506 Mrd. Euro). Diese positive Entwicklung basiert jedoch auch auf den konjunkturell starken Zeiten. So darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es noch europäische Länder mit Banken an hohen NPL-Beständen gibt. Wie erwähnt, haben griechische Banken immer noch vergleichsweise viele NPLs in ihren Büchern. Aber auch in den Bilanzen der Geldinstitute in Portugal, Italien und Zypern befinden sich noch zahlreiche NPLs.
Einigung als große Herausforderung
Die EZB Idee einer Bad Bank erwirkt also heftige Reaktionen. Allerdings stehen die Planungen und Gespräche innerhalb der EZB noch ganz am Anfang. Hinsichtlich eines exakten Bad Bank Konzeptes gibt es noch keine näheren Angaben aus Reihen der EZB. Somit ist auch kaum definiert, nach welchen Regularien diese Bad Bank handeln soll. Es bleibt abzuwarten, wie lange die Pandemie noch die Weltwirtschaft beeinträchtigen wird. Auch die Mitleidenschaft des europäische Finanzsystems ist noch nicht absehbar. Erst Klarheit über die langfristigen Folgen des Coronavirus für das europäische Bankensystem sollte die Frage aufbringen, ob es wirklich einer europäischen Bad Bank bedarf.