Hotline:  089 588 055 491

KW 02/23 – Unser Chefvolkswirt kommentiert

Schon seit längerem ist es bemerkenswert, wie trotz gedrückter Stimmung das tatsächliche Wirtschaftsgeschehen recht häufig positiv überrascht. So war es auch in den vergangenen Wochen. Die inflationsbereinigten Einzelhandelsumsätze der Eurozone stiegen im November mit 0,8% im Monatsvergleich stärker als erwartet. Im Vormonat war noch ein Minus von 1,5% verbucht worden. Die Arbeitslosenrate verharrte im gleichen Monat auf ihrem historischem Tief von 6,5%.
Ähnlich erfreulich ist das Bild in Deutschland. Auch hier erholten sich die Konsumausgaben im November – der Anstieg betrug 1,1% – nach einem Rückgang von 2,8% im Monat zuvor. Zudem sank die Zahl der Arbeitslosen im Dezember unerwartet um 13.000, die Arbeitslosenrate blieb mit 5,5% unverändert niedrig. Die Zahl der Beschäftigten für das Gesamtjahr 2022 erreichte den höchsten je verzeichneten Stand seit der Wiedervereinigung, wie das Statistische Bundesamt meldete.
Hinzu kommen neuerdings auch unerwartet positive Nachrichten seitens der Inflation. Dank niedrigerer Energiepreise hat der Preisdruck etwas nachgelassen. Im Euroraum sank die Inflation im Dezember von 10,2% auf 9,2%. Auch in Deutschland ist die Teuerung „nur“ noch einstellig. Die Preise stiegen zum Jahresende mit 8,6%, im November hatte der Zuwachs noch 10,0% betragen. Der nachlassende Preisdruck sollte die Kaufkraft der Haushalte stärken und auch den Druck verringern, der auf den Notenbanken lastet.
Trotzdem unterstreichen die Währungshüter in Frankfurt, dass weitere Zinsschritte nötig sind. Wie Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel ausführt, wird die Inflation nicht von selbst nachlassen. Die EZB werde daher die Zinsen noch viel weiter anheben müssen. Denn auch wenn die Gesamtinflation sich abgeschwächt hat, so ist die zugrundeliegende Inflation, die sogenannte Kernrate, immer noch stark erhöht. Die Kernrate der Inflation, welche die volatilen Preise für Energie und Nahrungsmittel außen vorlässt, ist im Dezember im Euroraum um rekordhohe 5,2% angestiegen. In Deutschland wurde ebenfalls ein – vermutlich vorläufiger – Höchststand von 5,4% erreicht.
Sorgen macht der EZB auch das Lohnwachstum. In ihrem jüngsten Monatsbericht erklärt die Notenbank, dass sie für die kommenden Quartale mit starken Zuwächsen rechnet. Grund hierfür sind die eingangs erwähnten robusten Arbeitsmärkte, Anhebungen beim Mindestlohn in einigen Mitgliedsstaaten sowie ein Aufholeffekt, um die Lücke zwischen Lohnwachstum und hoher Inflation zu schließen. Diese Lücke könnte für einige Jahre den Druck auf die Inflation aufrechthalten, erläuterte erst kürzlich EZB Chefvolkswirt Philip Lane.
Die EZB hat die Leitzinsen seit Juli 2022 bereits um 250 Basispunkte erhöht. Simulationen zeigen aber, dass das jetzige Zinsniveau dennoch nicht ausreicht, um die Inflation in absehbarer Zeit zum Ziel von 2% zurückzuführen, so Philip Lane. Im Februar dürfte daher ein weiterer Schritt von 50 Basispunkten auf der Tagesordnung stehen, so dass der Einlagensatz dann bei 2,5% notieren würde. An den Geldmärkten wird bis zum Sommer mit einem Satz von rund 3,5% gerechnet. Damit wäre wohl der Hochpunkt der Leitzinsen erreicht. Die Zinsen könnten dann eine längere Zeit auf diesem Niveau verharren, so der Chef der französischen Notenbank und EZB Ratsmitglied Francois Villeroy de Galhau. Er unterstrich dabei den Willen der EZB, so lange wie nötig an dieser Politik festzuhalten.
Die Tatsache, dass die Konjunktur sich trotz des Kriegs in der Ukraine und der hohen Inflation so wacker schlägt, hat es der Notenbank bisher einfach gemacht, die Geldpolitik derart zu straffen. Dies sollte auch in 2023 so bleiben. Erst kürzlich haben Banken wie Goldman Sachs ihre Prognosen für die Konjunktur der Eurozone erhöht. Zunehmend rechnen sie damit, dass eine Rezession vermieden werden kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Notenbanken in ihrem Kampf gegen die Inflation nicht mit Unterstützung durch eine abschwächende Nachfrage rechnen dürfen. Die Straffung der Geldpolitik wird damit in diesem Jahr munter weitergehen. Hoffnungen auf niedrigere Zinsen wird man sich erst in 2024 machen dürfen.