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KW 03/23 – Unser Chefvolkswirt kommentiert

Seit Jahresbeginn zeigen sich die Aktienmärkte sehr optimistisch. US-Aktien erreichten dabei ihren höchsten Stand seit einem Monat und verzeichneten die größten Wochengewinne seit zwei Monaten. Der amerikanische Leitindex S&P 500 ist seit Jahresbeginn mit über 4% im Plus. Noch besser zeigten sich die europäischen Aktienmärkte. Hier ist der europäische Leitindex Euro Stoxx 50 über 9% im positiven Bereich, während der deutsche DAX gut 8% stärker notiert. Doch was steckt hinter dieser Jahresanfangs-Rallye?

Neben soliden Konjunkturdaten ist es vor allem die nachlassende Inflation, über die sich die Investoren erleichtert zeigen. Denn ein schwächerer Preisdruck führt dazu, dass die Notenbanken weniger aggressiv ihre geldpolitischen Zügel anziehen müssen. In den USA ist beispielsweise die Verbraucherpreisinflation im Dezember auf den niedrigsten Stand seit mehr als einem Jahr gefallen. Der Anstieg der Verbraucherpreise ging dabei den sechsten Monat in Folge zurück und lag im Dezember bei 6,5%, während im Juli noch ein Höchststand von 9,1% erreicht wurde. Eine weitere gute Nachricht aus den USA ist die Zahl der Neuanträge auf Arbeitslosenhilfe, die in der ersten Januarwoche auf ein Dreimonatstief gesunken ist, was darauf hindeutet, dass der US-Arbeitsmarkt weiterhin stabil ist.


In der Tat könnte bald eine Verlangsamung der Zinserhöhungen seitens der US-Notenbank Fed bevorstehen. Der Präsident der Philadelphia Fed, Patrick Harker, sagte, dass Zinserhöhungen um einen Viertelprozentpunkt „in Zukunft angemessen sein werden“. Seine Kommentare spiegeln die Äußerungen von Susan Collins, seiner Amtskollegin bei der Bostoner Fed, einen Tag zuvor wider. Dies deutet darauf hin, dass die Fed das Tempo der Zinserhöhungen auf ihrer nächsten Sitzung am 1. Februar weiter verlangsamen könnte, nachdem sie den Leitzins im vergangenen Dezember noch um 50 Basispunkte auf eine Spanne von 4,25-4,50% angehoben hatte.


Auch im Euroraum gab es positive Nachrichten seitens der Konjunktur und der Preisentwicklung zu vermelden: Die Industrieproduktion stieg im November um 1,0% gegenüber dem Vormonat, nachdem sie im Vormonat noch um 1,9% zurückgegangen war. Eine weitere erfreuliche Nachricht ist, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen der privaten Haushalte laut einer EZB-Umfrage im November zum ersten Mal seit Mai gesunken sind. Dennoch bleiben die steigenden Lebenshaltungskosten laut der Eurobarometer-Umfrage des Europäischen Parlaments für 93% der Europäer die größte Sorge.


In Deutschland ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 um 1,9% gewachsen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Damit hat die Wirtschaftstätigkeit das Niveau vor der Pandemie wieder überschritten. Die Jahres-Wachstumszahl impliziert, dass die deutsche Wirtschaft im vierten Quartal 2022 wahrscheinlich stagniert hat, was die pessimistischen Erwartungen der Analysten bezüglich eines Rückgangs widerlegt und die Ängste vor einer Rezession verringert. Die mögliche Wende zum Besseren unterstreichen auch die ZEW-Konjunkturerwartungen für die kommenden sechs Monate, die im Januar sehr stark zulegten und damit weit über den Prognosen der Ökonomen lagen. Gleichzeitig hat sich im deutschen Großhandel der Preisdruck weiter abgeschwächt. Im Dezember lagen die Preise laut Statistischem Bundesamt um 12,8% über dem Vorjahresmonat. Damit nimmt die Jahresrate weiter ab, nachdem sie im Oktober noch bei 17,4% und bei 14,9% im November lag. Gegenüber dem Vormonat gingen die Großhandelspreise im Dezember sogar um 1,6% zurück.


Noch hält die Europäische Zentralbank (EZB) aber dagegen und schiebt zu wilden Spekulationen auf eine lockerere Geldpolitik einen Riegel vor: Nur eine Verlangsamung der Kerninflation könne die Zentralbank von ihrer Entschlossenheit abbringen, die Zinssätze zu erhöhen, so EZB-Ratsmitglied Robert Holzmann. Im Dezember war die Kerninflation noch von 5,0 auf 5,2% in der Eurozone angestiegen. Herrn Holzmanns Kommentare spiegeln den harten Ton von Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel wider, die sagte, dass die Zinssätze immer noch deutlich steigen müssen, selbst nachdem die Inflation in der Eurozone zum ersten Mal seit August letzten Jahres in den einstelligen Bereich zurückgegangen ist.


Trotz aller Euphorie an den Börsen in den vergangenen Tagen, fallen viele Vorhersagen für die globale konjunkturelle Entwicklung weiterhin düster aus. Kürzlich warnte die Weltbank beispielsweise vor einer globalen Rezession und senkte ihre Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft von 3,0% auf 1,7% für das laufende Jahr. Zugleich sieht sie die hohe Inflation als weiterhin schwierigste Herausforderung an. Auch im gerade stattfindenden Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos scheint die Stimmung getrübt. Laut dessen Gründer, Klaus Schwab, stecken die Teilnehmer gerade in einem „Krisen-Denkschema“. Ob sich, wie in Davos, die Pessimisten in ihrer Anschauung bestätigt sehen werden oder ob am Ende die Optimisten an der Börse Recht haben, kann nur der weitere Jahresverlauf zeigen.