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KW 04/23 – Unser Chefvolkswirt kommentiert

Das Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos bot Notenbankern und Politkern aus beiden Seiten des Atlantiks den passenden Hintergrund sich zur Geldpolitik und zum Gang der Wirtschaft zu äußern. Die Kernbotschaften waren dabei ein verhaltener Optimismus, dass eine Rezession in diesem Jahr vermieden werden kann, und dass es mit der Verschärfung der Geldpolitik in 2023 weitergeht.

Offizielle aus den Reihen der amerikanischen Fed waren sich einig darin, dass die Leitzinsen über 5% steigen müssten, um die Inflation nachhaltig in den Griff zu bekommen. Aktuell bewegt sich der Zins in einem Band zwischen 4,25% und 4,50%. Die Entscheidung über den nächsten Zinsschritt steht am 1. Februar an. Die wichtigste Information bis dahin dürfte die Veröffentlichung des bevorzugten Inflationsmaßes der US-Notenbank am 27. Januar sein. Die von Bloomberg befragten Volkswirte rechnen mit einem erneuten Rückgang von zuvor 4,7% im November auf 4,4% im Dezember. Wenn es so kommt, würde dies die Entscheidungsträger darin bestärken, dass der seit dem Sommer 2022 rückläufige Inflationstrend tatsächlich nachhaltig ist.


Gleichzeitig bot die vergangene Woche einige Konjunkturdaten, die auf ein schwächeres Wirtschaftswachstum in Amerika hindeuten. So fielen die Einzelhandelsumsätze im Dezember mit 1,1% im Monatsvergleich, nachdem sie schon im November um 1% gesunken waren. Die Industrieproduktion schwächte sich im gleichen Monat um 1,3% ab. Damit war das vierte Quartal 2022 für das verarbeitende Gewerbe das Schwächste seit Beginn der Pandemie.
Schwächere Inflationsdaten und erste Zeichen, dass die deutlich gestiegenen Leitzinsen zur Konjunkturabschwächung beitragen, würden es rechtfertigen, das Tempo bei den Zinsanhebungen weiter zu verlangsamen. Im Dezember hatte die Fed ja entschieden, von Schritten von jeweils 75 Basispunkten auf 50 Basispunkte überzugehen. Nun sprechen sich einige Mitglieder des Notenbankrats dafür aus, im Februar die Leitzinsen nur noch um 25 Basispunkt zu erhöhen.


In Europa hingegen war die vergangene Woche konjunkturdatenarm. Auffallend war allerdings der plötzliche Optimismus der vom ZEW Institut befragten Finanzexperten. Der von den Mannheimer Forschern publizierte Index sprang im Januar auf das nahezu höchste Niveau der vergangenen 12 Monate. Dieses deutliche Zeichen der Stimmungsaufhellung erklärt sich mit der freundlichen Entwicklung der Energiepreise und der erhofften stärkeren chinesischen Nachfrage nach deutschen Exporten. Letzteres ist allerdings eine zweischneidige Sache. Einerseits sollte die Entscheidung Pekings, die Null Covid Strategie zu beenden, die chinesische Wirtschaft beflügeln, wovon die deutschen exportorientierten Unternehmen profitieren dürften. Anderseits ist davon auszugehen, dass diese Entwicklung mit höheren Rohstoffpreisen einhergeht. Der Chef des norwegischen Staatsfonds befürchtet daher eine neue Teuerungswelle auf die Weltwirtschaft zurollen.
Die positivere Konjunkturstimmung zeigte sich auch in der Politik. Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Finanzminister Bruno Le Maire gaben sich in Davos optimistisch, dass eine Rezession in ihren jeweiligen Heimatländern vermieden werden kann. Und selbst die Bundesbank, die Mitte Dezember noch eine Schrumpfung der deutschen Wirtschaft um 0,5% für 2023 vorhergesagt hatte, ist nun etwas weniger pessimistisch. In einer Rede erklärte das Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, Sabine Mauderer, nun, dass das Bruttoinlandsprodukt insgesamt etwas weniger zurückgehen könnte als noch im Dezember erwartet wurde.


Vor diesem Hintergrund gehen die Meinungen innerhalb des EZB Notenbankrats auseinander, ob, wie in den USA, eine weitere Verlangsamung des Tempos auf 25 Basispunkte gerechtfertigt ist. Zuletzt sprachen sich einige Schwergewichte im Rat dafür aus, an der im Dezember kommunizierten Leitlinie von zwei 50 Basispunkt-Schritten im Februar und März festzuhalten. Im Einklang damit erklärte Christine Lagarde das „Kurshalten“ zu ihrem geldpolitischen Mantra. Was darunter genau zu verstehen ist, wird man hoffentlich bis zur nächsten geldpolitischen Sitzung am 2. Februar erfahren.