Die Finanzmärkte zeigten sich in der vergangenen Woche bewegt. Aktienhändler kauften fleißig ein, so dass der US-Leitindex S&P 500 auf den höchsten Stand seit August letzten Jahres stieg. Auch die europäischen Aktienmärkte legten in der vergangenen Woche zu, wobei der Londoner Leitindex FTSE 100 sogar auf ein neues Rekordhoch kletterte. Staatsanleihen in Europa erlebten am vergangenen Donnerstag zudem ihren größten Tagesanstieg seit Jahren. Die Rendite der 10-jährigen deutschen Anleihe fiel dabei um 0,2 Prozentpunkte, während diejenige der riskanteren 10-jährigen italienischen Anleihen sogar um 0,4 Prozentpunkte zurückging. Auf den Währungsmärkten überschritt der Euro in der vergangenen Woche zum ersten Mal seit zehn Monaten wieder die Marke von 1,10 US-Dollar.
Was war passiert, was die Märkte so beflügelte? Neben einer Fülle an Wirtschaftsdaten waren es vor allem die Sitzungen der drei großen Zentralbanken (US-Fed, Europäische Zentralbank und Bank of England), die die Investoren antrieben. Diese sahen nämlich in der Notenbankkommunikation die erhofften Anzeichen dafür, dass die Leitzinsen, insbesondere in den USA, kurz vor ihrem Höhepunkt stehen.
Die US-Fed hob ihre Zinssätze wie erwartet um 25 Basispunkte an und erklärte, dass mindestens „ein paar“ weitere Zinserhöhungen erforderlich sein werden, um die Inflation ausreichend abzukühlen. Im vergangenen Jahr hatte die Fed ihre Zinsen viermal um 75 Basispunkte angehoben, bevor sie die Geschwindigkeit im Dezember auf 50 Punkte reduzierte. Auch wenn von weiteren Zinserhöhungen weiterhin die Rede ist, hat die Fed damit im Februar die Zinsen bescheidener als in den letzten Monaten angehoben. Der Vorsitzende Jerome Powell wies zwar Gerüchte über eine baldige Zinswende zurück, indem er bekräftigte, dass die Zinssätze „für einige Zeit“ restriktiv bleiben müssten. Er merkte jedoch an, dass der „Disinflationsprozess begonnen hat“.
Die EZB hob ihren Einlagensatz um 50 Basispunkte auf 2,5% an und ließ wissen, dass sie dies im März erneut tun werde, wobei sie den zugrundeliegenden Preisdruck und das Risiko einer Lohninflation als Begründung anführte. Im Herbst 2022 hatte auch die EZB ihre Zinsen noch zweimal um je 75 Basispunkte angehoben, bevor sie zu 50 Punkten im Dezember überging. Einen Tag nach der Sitzung erklärte der litauische Zentralbankchef Gediminas Simkus sogar, dass es über den nächsten Monat hinaus weitere Anhebungen um 50 Basispunkte geben könnte, während der slowakische Zentralbankchef Peter Kazimir warnte, dass der Kampf gegen die Inflation „noch lange nicht gewonnen“ sei.
Trotz des verlangsamten Tempos ist das Ende der Zinserhöhungen sowohl bei der US-Fed als auch der EZB also noch nicht erreicht. Gegen ein solches Ende spricht, dass der Arbeitsmarkt sich weiterhin widerstandsfähig zeigt, während die Preisentwicklung angespannt bleibt. So sank die Arbeitslosenquote in den USA im Januar auf 3,4% und damit auf den niedrigsten Stand seit 1964, während die Schaffung von Arbeitsplätzen im Dezember die Erwartungen bei weitem übertraf.
Dennoch stieg das Verhältnis zwischen offenen Stellen und Arbeitslosen auf ein nahezu rekordverdächtiges Niveau von 1,9, verglichen mit einem Verhältnis von etwa 1,2 vor der Pandemie. Diese Zahlen signalisieren, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften das Angebot in den USA bei weitem übersteigt, was die Gefahr eines Aufwärtsdrucks auf die Löhne birgt, der die Inflation wieder anheizen könnte. So sind die Arbeitskosten seit sechs Quartalen in Folge um mindestens 1% gestiegen, womit sich die Rekordserie weiter verlängert. All dies steigert den Druck auf die US-Zentralbank, die geldpolitischen Zügel weiterhin straff zu halten.
Auch die Eurozone zeigte sich zum Ende des letzten Jahres widerstandsfähig. Die Wirtschaftsleistung in der Währungsunion ist im abgelaufenen vierten Quartal unerwartet um 0,1% gestiegen, womit die Wirtschaft trotz des Krieges in der Ukraine und der immer noch hohen Inflation auf gutem Weg ist, eine Rezession zu vermeiden. Im Januar verringerte sich die Inflation zwar von 9,2% auf 8,5%, die zugrundeliegende (Kern-) Inflation blieb mit 5,2% jedoch auf einem Rekordhoch. Die europäische Wirtschaft profitierte zudem von der umfangreichen Unterstützung der Fiskalpolitik sowie von einem robusten Arbeitsmarkt. Im Dezember blieb die Arbeitslosenquote in der Eurozone nämlich auf einem Rekordtief von 6,6%.
Ähnlich ist das Bild in Deutschland: Die deutschen Haushalte können sich auf einen soliden Arbeitsmarkt verlassen. Die Arbeitslosigkeit ging im Januar unerwartet um 22.000 zurück, während die Arbeitslosenquote bei niedrigen 5,5% verharrte. Währenddessen könnten die Preise im Januar etwas stärker angestiegen sein als im Dezember, da staatliche Unterstützungsmaßnahmen zum Jahresende ausliefen.
Allzu euphorisch sollten die Finanzmärkte also nicht sein, wenn sie die Verlangsamung der Zinsschritte als ein Anzeichen für ein baldiges Ende der Zinserhöhungen sehen. Aktuell wird dort eher mit einem Szenario gespielt, in dem die Wirtschaft mit einem blauen Auge durch den Zinsanhebungszyklus kommt („soft landing“), während die Inflation weiter zurückgeht. Hierbei bestehen aber weiterhin erhebliche Risiken. Einerseits ist es noch nicht in trockenen Tüchern, dass die Wirtschaft einer Rezession wirklich entkommt, wie die schwachen Industrie- und Einzelhandelsdaten in Deutschland zum Jahresende verdeutlichen. Andererseits könnte sich insbesondere die Kerninflation, die um Energie- und Lebensmittelpreise bereinigt ist, als hartnäckiger als gedacht erweisen. Ein langsamer als erwarteter Rückgang der Inflation würde wiederum ein härteres Eingreifen der Notenbanken erfordern. Eine gewisse Vorsicht vor zu viel Euphorie ist also angebracht.