Die Wirtschaft kämpft weiterhin mit viel Gegenwind. Der Ukraine-Krieg mit den damit verbundenen Gasengpässen, rekordhohe Inflationsraten, Zinserhöhungen seitens der Zentralbanken und globale Lieferengpässe belasten den wirtschaftlichen Ausblick zusehends. Die Angst vor einer möglichen Rezession spiegelt sich aktuell an den Finanzmärkten wider. Die Kreditspreads (ein Maß für das Kreditrisiko) für Unternehmensanleihen im Euroraum nähern sich Niveaus an, die zuvor normalerweise bei einem größeren Risikoereignis beobachtet wurden, wie der globalen Finanzkrise, der Staatsschuldenkrise im Euroraum oder dem Ausbruch der Pandemie. Die Furcht vor einer drohenden Rezession veranlasst die Anleger außerdem dazu, darüber zu spekulieren, wie aggressiv die Zentralbanken bei den Zinserhöhungen weiter vorgehen. Eine schwächere Wirtschaft könnte nämlich die Geschwindigkeit der Zinsanhebungen verlangsamen. Diese Überlegung ließ die weltweiten Aktienmärkte in der vergangenen Woche ihren ersten Wochengewinn in diesem Monat verzeichnen. Auch die Märkte für Staatsanleihen erholten sich aufgrund dieser Entwicklung: Die Kurse von vielen Staatsanleihen stiegen sprunghaft an, was wiederum die Renditen auf Anleihen fallen ließ.
Ein Auslöser für die Reaktion der Anleger waren Aussagen seitens der US-Notenbank Fed. Der Fed-Vorsitzende Powell sagte nämlich, dass eine Rezession aufgrund der Straffung der Geldpolitik „sicherlich eine Möglichkeit“ sei. Ausgemacht ist eine langsamere Zinserhöhung, über die spekuliert wurde, aber noch nicht. Denn die Notenbanken geben sich weiterhin betont kämpferisch: Herr Powell bezeichnete sein Engagement für die Eindämmung der Inflation jüngst als „bedingungslos“. Zwei seiner Kollegen befürworteten sogar eine weitere besonders starke Zinserhöhung um 75 Basispunkte im nächsten Monat. Ähnlich klingt es aus der Europäische Zentralbank: Laut EZB-Ratsmitglied Peter Kazimir könnte die Notenbank die Zinssätze in den nächsten 12 Monaten um mehr als 200 Basispunkte anheben, um den Zinssatz in einem Jahr auf 1,5% bis 2,0% zu bringen, je nachdem, welche Daten bis dahin aus der Wirtschaft vermeldet werden.
Aktuelle Zahlen aus der Wirtschaft bestätigten die Einschätzung einer sich verlangsamenden Wirtschaftsaktivität: In den USA hat sich laut dem S&P Global Einkaufsmanagerindex die Wirtschaftstätigkeit im Juni auf 51,2 Punkte abgeschwächt und damit den zweitschwächsten Wert seit Juli 2020 erreicht. Ein Wert von 50 Punkten gilt hierbei als Schwelle zwischen einer Expansion und einem Schrumpfen der Wirtschaft. Die Schwäche ist dabei auf einen Rückgang der Auftragseingänge und der Produktion zurückzuführen, wobei die Unternehmen feststellten, dass die Haushalte mit den steigenden Lebenshaltungskosten zu kämpfen haben. S&P Global ließ verlauten, dass „die Stimmung der Unternehmen jetzt auf einem Niveau ist, das normalerweise einen wirtschaftlichen Abschwung ankündigt“.
Im Euroraum zeigt sich die Situation ähnlich. Laut dem Einkaufsmanagerindex verlangsamte sich das Wirtschaftswachstum drastisch und fiel auf ein 16-Monats-Tief von 52,0, während die Produktion im verarbeitenden Gewerbe zum ersten Mal seit zwei Jahren zurückging. S&P Global merkte an, dass „… der Rückenwind durch die aufgestaute Nachfrage aufgrund der Pandemie bereits nachlässt, da er durch den Schock bei den Lebenshaltungskosten und den Einbruch des Unternehmer- und Verbraucherstimmung ausgebremst wurde“. Zusätzlich erreichte die Umfrage der Europäischen Kommission zum Verbrauchervertrauen im Juni den niedrigsten Stand seit den ersten Monaten der Pandemie.
Passend zu den europäischen Daten hat in Deutschland die Konsumstimmung der Verbraucher ein neues Rekordtief erreicht. Der Index der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) sank auf den niedrigsten bisherigen Wert, was vor allem am drastischen Anstieg der Lebenshaltungskosten liegt. Die Konjunkturaussichten sind laut GfK-Umfrage düster: Die Verbraucherinnen und Verbraucher sähen ein großes Risiko dafür, dass die deutsche Wirtschaft in die Rezession abrutschen könnte. Auch bei den deutschen Unternehmen ist die Stimmung nach Angaben des Ifo-Instituts unerwartet gesunken, da sie über die drohende Gasknappheit und steigende Energiepreise besorgt sind. „Trotz erhöhter Unsicherheit zeichnet sich im Moment noch keine Rezession ab“, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. „Allerdings: Die drohende Gasknappheit hat die Unsicherheit unter den Unternehmen deutlich erhöht.“
Das Thema Gasknappheit könnte der Dreh- und Angelpunkt für die weitere konjunkturelle Entwicklung sein. Auch wenn sich die Daten aus der Wirtschaft aktuell eintrüben, könnte die Wirtschaft noch mit einem blauen Auge davonkommen, wenn der Glasfluss weiter Bestand hat. Sollte es aber zu einem Erliegen der russischen Gaslieferungen nach Europa kommen, würde es, insbesondere in Deutschland, zu wirtschaftlichen Einbrüchen kommen. In der vergangenen Woche hat die Bundesregierung bereits die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen, da eine starke Verringerung der Gaslieferungen durch Russland festgestellt wurde. Viele Ökonomen warnen daher bereits vor erheblichen Folgen, sollten die russischen Gaslieferungen komplett ausfallen. Spätestens in diesem Fall wäre nämlich eine ausgewachsene Wirtschaftskrise unausweichlich.