Die Aktienmärkte zeigten sich in den vergangenen Tagen von ihrer positiven Seite. US-Aktien erreichten dabei ein Dreimonatshoch. Auch die europäischen Börsen stiegen auf den höchsten Stand seit mehr als zwei Monaten. Hintergrund ist die Hoffnung der Händler auf moderatere Zinserhöhungen seitens der US-Zentralbank Fed, da es Anzeichen auf nachlassende Preissteigerungen gab.
Laut offiziellen Angaben ist die Inflation in den USA im Juli nämlich auf 8,5% im Jahresvergleich gesunken. Das entspricht einer Verlangsamung gegenüber dem Vormonat Juni, als die Rate noch bei 9,1% lag. Der Inflationsdruck ließ hauptsächlich aufgrund niedrigerer Benzinpreise nach. Dieser Rückgang weckt die Hoffnung, dass das Tempo des Preisanstiegs in den USA seinen Höhepunkt erreicht haben könnte. Das Gleiche gilt für die Erzeugerpreisinflation im Juli, die unerwartet zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren zurückging. Auch diese Entwicklung ist vor allem auf einen Rückgang der Energiekosten zurückzuführen.
Aus diesen fallenden Inflationsraten leiten nun einige Anleger die Hoffnung ab, dass die Notenbanken, insbesondere die amerikanische Fed, etwas zurückhaltender mit ihren Zinserhöhungen sein könnten. Dies wiederum beflügelt den Aktienmarkt. Es dauerte aber nicht lange ehe sich mehrere Notenbankmitglieder zu Wort mit der Aussage meldeten, dass diese Daten nichts am Kurs der US-Notenbank ändern würden. Mary Daly, Präsidentin der Fed-Niederlassung in San Francisco, schloss sogar eine dritte Zinserhöhung um 0,75 Prozentpunkte in Folge auf der nächsten Sitzung der Zentralbank im September nicht aus, obwohl sie sich zunächst dafür ausgesprochen hatte, dass die Fed das Tempo ihrer Zinserhöhungen verlangsamen sollte. Sie warnte, dass es für die US-Notenbank noch viel zu früh sei, um in dem Kampf gegen die hohe Inflation den „Sieg“ zu verkünden.
Eine Schwalbe macht aber noch keinen Sommer. Es wird wohl noch weiterer Preisdaten in den nächsten Monaten bedürfen, ehe die Notenbanken etwas moderater vorgehen werden. Außerdem schaut die Fed bei ihrer Zinsentscheidung nicht nur auf die Preise, sondern auch auf die wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere auf den Arbeitsmarkt.
Dieser zeigt sich weiterhin robust, weswegen die Fed nicht allzu beunruhigt aufgrund der höheren Zinsen sein dürfte. Besondere Aufmerksamkeit erhält aktuell der US-Arbeitsmarkt, nachdem die offiziellen Zahlen aus dem Juli deutlich besser als erwartet ausgefallen waren (siehe Bericht der Vorwoche). Die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung steigt zwar stetig an, und zwar um bisher fast 100.000, nachdem sie in der Woche vom 19. März mit 166.000 einen Fünf-Dekaden-Tiefstand erreicht hatte. Bislang scheint dies jedoch nicht auf eine Verschlechterung des Arbeitsmarktes hinzudeuten. Nach Ansicht von Wirtschaftsexperten von Goldman Sachs ist etwa die Hälfte des Anstiegs auf Änderungen bei der Saisonbereinigung der Anträge zurückzuführen. Die Zahl der aktuellen Leistungsempfänger ist nämlich um 78.000 niedriger als in der Woche Mitte März, was darauf hindeutet, dass viele neue Erstanträge nicht bewilligt werden oder dass Menschen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, schnell einen neuen finden.
Außerhalb des Arbeitsmarkts zeigten sich die Nachrichten aus der Wirtschaft eher gemischt. Das US-Verbrauchervertrauen überraschte positiv, da der entsprechende Indikator aufgrund besserer Erwartungen hinsichtlich der Wirtschaft und der persönlichen Finanzen auf ein Dreimonatshoch stieg. Die Inflationserwartungen waren dabei uneinheitlich: Die Verbraucher hoben ihre längerfristigen Preiserwartungen leicht an, während sie ihre Kostenerwartungen für das kommende Jahr senkten. Enttäuschend zeigte sich jedoch ein regionaler Index für das verarbeitende Gewerbe aus dem Bundesstaat New York. Dieser verzeichnete seinen zweitstärksten monatlichen Rückgang und fiel in die Nähe des niedrigsten Stands in der Historie der Reihe. Die Auftragseingänge, ein Indikator für die künftige Nachfrage, brachen dabei besonders ein.
In der Eurozone hat sich das Investorenvertrauen zwar entgegen den Erwartungen leicht aufgehellt, liegt aber immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau. Positiv zeigte sich die Industrieproduktion, die die Erwartungen übertraf, was darauf hindeutet, dass die Unternehmen aufgrund nachlassender Lieferengpässe die vorhandenen Aufträge schneller abarbeiten konnten. Die Produktion stieg im Juni um 0,7% gegenüber dem Vormonat, während Ökonomen von einem Anstieg um lediglich 0,2% ausgegangen waren. Das Wachstum im Mai wurde zudem auf 2,1% nach oben korrigiert, was mehr als das Doppelte der zuvor gemeldeten 0,8% ist. Derweil ergibt sich für Deutschland jedoch ein weiteres wirtschaftliches Risiko, nachdem der Pegel des Rheins unter einen kritischen Wert gesunken ist, wodurch ein Großteil des Flussverkehrs zum Erliegen kommt. Dies kann durchaus zu wirtschaftlichen Einbußen führen, wenn die Trockenheit länger andauert. Das zeigt auch die jüngere Erfahrung. Im Jahr 2018 schmälerte der niedrige Wasserstand des Rheins das deutsche BIP-Wachstum um etwa 0,2 Prozentpunkte.
Das momentane Zwischenhoch an den Börsen steht also auf wackligen Füßen. Der weitere wirtschaftliche Entwicklungspfad ist alles andere als klar, wobei es große Abwärtsrisiken gibt. Außerdem könnte der Rückgang der Inflation nur vorübergehender Natur sein und die Preissteigerungen könnten, wie so oft in der Vergangenheit, in den nächsten Monaten wieder nach oben überraschen. Daher gibt es sowohl für die Notenbanken als auch für die Börsen aktuell keine Gewissheiten. Diese besonders große Unsicherheit wird sich wahrscheinlich durch eine weiterhin hohe Volatilität an den Börsen zeigen, da die Märkte auf einzelne Datenveröffentlichungen stark reagieren, wie die Veröffentlichung der US-Inflationszahlen aus der vergangenen Woche zeigt. Sommerliche Langeweile wird also so schnell nicht aufkommen.