Die vergangene Woche stand ganz im Zeichen des Jackson Hole Symposiums der Notenbanken im amerikanischen Wyoming. Von diesem Treffen erhofften sich die Marktteilnehmer Signale, wie es mit der Geldpolitik weitergeht. In den vergangenen Wochen war zunehmend darauf spekuliert worden, dass die Notenbanken, allen voran die US Fed, bereits im nächsten Jahr sich gezwungen sehen würden, die Leitzinsen wieder zu senken. Doch diesen Erwartungen erteilten die Währungshüter mit klaren Worten eine Abfuhr.
In seiner Rede erklärte Fed-Chef Jerome Powell, dass die amerikanische Notenbank die Zinsen für eine längere Zeit hochhalten werde, um die Inflationserwartungen zu dämpfen. Um seine Entschlossenheit zu untermauern, erwähnte er in seiner Rede dreimal seinen Amtsvorgänger Paul Volcker. Dieser hatte nach seiner Ernennung im Jahr 1979 die Leitzinsen von damals 11% auf 20% erhöht und damit eine schwere Wirtschaftskrise in Kauf genommen. Mit dieser Schocktherapie gelang es Volcker, die Inflationsrate von 13% bei seinem Amtsantritt zu besiegen. Daran anknüpfend erklärte Powell, dass die Bekämpfung der Inflation bei Haushalten und Unternehmen Schmerzen verursachen werde. Dies seien aber eben unglücklicherweise die Kosten, um die Teuerungsrate zu verringern.
Ganz ähnlich klang es bei EZB Ratsmitglied Isabel Schnabel. Sie warnte, dass wohlmöglich größere Opfer gebracht werden müssten als in früheren Phasen geldpolitscher Straffung, um die Inflation zu zähmen. Diese habe noch nicht ihren Höhepunkt erreicht, wie ihr Kollege Bostjan Vasle einige Tage später ergänzte. Erst in der ersten Jahreshälfte 2023 sei mit einem Abklingen der Teuerung zu rechnen.
Tatsächlich stieg in Deutschland im August die EU-harmonisierte Inflation von 8,5% auf 8,8%. Die Bundesbank hält es für möglich, dass eine Größenordnung von sogar 10% im Herbst erreicht werden könnte. Nicht unähnlich dürfte sich die Entwicklung im Euroraum gestalten. Preistreiber sind hierzulande in den nächsten Monaten nicht nur das Ende des 9-Euro Tickets im öffentlichen Personennahverkehr und des Tankrabatts, sondern auch die Trockenheit und damit verbunden der niedrige Pegelstand des Rheins. Dieser sorgt für höhere Transportkosten und damit steigende Preise. Die Ankündigung des russischen Energielieferanten Gazprom, die Gaspipeline Nord Stream 1 für drei Tage für „Wartungsarbeiten“ zu schließen, hat ebenfalls zu einem Preissprung bei den Gaspreisen geführt.
Der anhaltende Preisdruck verlangt nach einer entschlossenen geldpolitischen Reaktion. Ein Teil der Entscheidungsträger bei der EZB kann sich daher einen außergewöhnlich hohen Zinsschritt von 75 Basispunkten vorstellen, wenn die Ratsmitglieder am 8. September über die nächsten Schritte beraten. Zu diesem Termin wird es auch neue Konjunkturprognosen geben. Diese könnten eine signifikant höhere Inflation im Euroraum von über 5% für 2023 prognostizieren, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg schreibt. Bisher war die Notenbank von einer Teuerungsrate von 3,5% im kommenden Jahr ausgegangen.
Die Aussichten auf anhaltend hohe Energiepreise, weiter steigende Inflationsraten und straffere geldpolitische Zügel belasten zunehmend die Stimmung in der Wirtschaft. Die monatliche Umfrage der EU Kommission sieht das Wirtschaftsvertrauen im August auf dem niedrigsten Stand seit 19 Monaten. Auch in Deutschland verschlechterte sich das Unternehmensvertrauen laut Ifo Umfrage. Die Unsicherheit bei den Unternehmen bleibt hoch, der Ausblick auf die kommenden Monate nahezu unverändert deutlich pessimistisch. Im dritten Quartal könnte die deutsche Wirtschaft schrumpfen, wie das Forschungsinstitut ausführt. Im vergangenen Quartal war die heimische Wirtschaft noch überraschend leicht gewachsen, im Gegensatz zur anfänglichen Erwartung einer Stagnation.
Die EZB wird diese Aussichten nicht schrecken, solange die Inflationsperspektiven so ungünstig sind. Stattdessen dürfen sich am 8. September diejenigen durchsetzen, die sich wie Ratsmitglied Klass Knot für eine rasche Zinsnormalisierung aussprechen. Denn eine Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit wird für sich genommen nicht ausreichen, um die Inflation mittelfristig wieder auf das 2%-Ziel zurückzubringen, argumentiert Knot. Insofern bleibt zu hoffen, dass die „Opfer“, von denen Frau Schnabel sprach, nicht allzu groß ausfallen werden.