Die Geldpolitik dominierte eindeutig die Wirtschaftsnachrichten der vergangenen Woche. Eine ganze Reihe an Zentralbanken hielten nämlich ihre Sitzungen ab und fällten in Anbetracht horrender Inflationsraten ihre Entscheidungen über die Leitzinsen. Den Anfang machte die schwedische Nationalbank mit einem besonders großen Zinsschritt. Sie erhöhte die Zinsen auf einen Schlag um einen ganzen Prozentpunkt auf 1,75%. Dies stellt die größte Zinserhöhung in dem nordischen Land seit drei Jahrzehnten dar. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) erhöhte die Leitzinsen um 0,75 Prozentpunkte auf 0,5%. Mit dieser Entscheidung, die von einigen Analysten als „Ende einer Ära“ bezeichnet wurde, hat die SNB zum ersten Mal seit 2015 wieder einen Leitzins über 0% festgesetzt. Die Bank of England setzte ebenso ihren Zinserhöhungszyklus fort. Sie schraubte die Zinssätze um 0,5 Prozentpunkte auf 2,25% nach oben, den höchsten Stand seit 2008, und stellte eine weitere deutliche Anhebung im November in Aussicht. Die jüngste Anhebung der Zinsen ist in Großbritannien die siebte Anpassung in Folge seit Dezember, als der Zinssatz noch bei 0.1% lag.
Die einzige Ausreißerin stellt die japanische Zentralbank dar. Die Bank of Japan beließ ihren Zinssatz bei -0,1 % und signalisierte, dass sie nicht vorhat, ihr weiteres Vorgehen zu ändern. Japan ist nun das einzige Land der Welt, das noch negative Zinssätze aufweist. Entgegengesetzt positionierte sich die amerikanische Zentralbank Fed. Die US-Notenbank führte die dritte große Zinserhöhung i.H.v. 0,75 Prozentpunkten in Folge durch. Gleichzeitig deutete eine vielbeachtete Grafik, die die Zinsprognosen der Ratsmitglieder beinhaltet, auf weitere Erhöhungen und keine Zinssenkungen vor Ende dieses Jahres hin. Das Diagramm zeigte auch, dass die Zinserwartungen bis Ende 2022 auf 4,4% steigen werden, bevor sie im nächsten Jahr mit 4,6% ihren Höchststand erreichen.
Die zahlreichen Aktivitäten der Geldpolitik blieben freilich nicht unbemerkt an den Märkten, insbesondere an den Devisenmärkten. Der US-Dollar stieg unaufhaltsam gegenüber fast allen Währungen an und ist mittlerweile so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Japan musste sogar intervenieren, um den Yen zum ersten Mal seit 1998 zu stützen, nachdem die Währung auf ein 24-Jahres-Tief gestürzt war. Dabei ist der Yen bei weitem nicht die einzige Währung, die unter der aktuellen Stärke des Dollars leidet. Der Bloomberg-Dollar-Index, der den Dollar gegenüber einem Korb von Währungen aus Schwellen- und Industrieländern misst, erreichte letzte Woche neue Höchststände. Der Euro erreichte am vergangenen Freitag nach enttäuschenden Wirtschaftsdaten in der Eurozone ein neues 20-Jahres-Tief gegenüber dem Dollar. Das britische Pfund stürzte am Montag auf ein Allzeittief gegenüber dem Dollar und verlor bis zu 4,7%, nachdem Finanzminister Kwasi Kwarteng weitere Steuersenkungen versprochen hatte.
Hinter der beschriebenen Geldpolitik verbergen sich auch unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen. In den USA deuten die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung weiterhin auf sehr wenige Entlassungen hin. Allerdings könnten die Entlassungen im weiteren Verlauf des Jahres zunehmen, denn neue Projektionen der Fed prognostizieren für 2023 eine Arbeitslosenquote, die einer Rezession entspricht. Dennoch überraschte der Einkaufmanagerindex für die USA positiv und signalisierte einen sanfteren und nur marginalen Rückgang der Wirtschaftstätigkeit im privaten Sektor. Der Rückgang war zudem der langsamste in der aktuellen dreimonatigen Abfolge von Rückgängen.
Gleichzeitig schlittert die Eurozone und insbesondere Deutschland immer weiter in Richtung Rezession. Das Verbrauchervertrauen in der Eurozone sank auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen, da sich die Haushalte auf eine Energiekrise im Winter und eine weitere Beschleunigung der bereits stark ansteigenden Inflation einstellen. Außerdem fiel der Einkaufmanagerindex der Eurozone im September weiter und befindet sich nun zum dritten Mal unter der 50er-Marke, die Wachstum und Rezession voneinander trennt. Für Deutschland ist die Entwicklung ähnlich, aber etwas düsterer. Hier fiel der entsprechende Index sogar auf den niedrigsten Wert seit Mai 2020. Außerdem zeigte der ifo-Geschäftsklimaindex, dass sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft im September erheblich verschlechtert hat. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel sagte zu dieser Entwicklung, dass es in Deutschland weniger wahrscheinlich sei, dass eine Schrumpfung vermieden werden könne, während die Eurozone eher stagnieren als in eine Rezession abrutschen könnte. Die EZB müsse aber trotz der sich verschlechternden Aussichten für die Wirtschaft der Eurozone mit den Zinserhöhungen fortfahren. Ähnlich äußerte sich ihr Kollege Martins Kazaks.
Die relative Resilienz der amerikanischen Wirtschaft im Vergleich zu Europa ist neben der Geldpolitik ein weiteres Puzzlestück, um die aktuellen Reaktionen an den Devisenmärkten bzgl. der Dollarstärke zu verstehen. Zwar wird sich die amerikanische Wirtschaft aufgrund der hohen Inflation und steigenden Zinsen weiter abschwächen. Die Eurozone bzw. Großbritannien werden aber kaum wirtschaftlich aufholen können. Das zeigen auch die neusten Prognosen der OECD zum Wirtschaftswachstum in 2023. Während die US-Wirtschaft zumindest noch mit einem Wachstum von 0,5% im nächsten Jahr rechnen kann, soll die britische Wirtschaft lediglich stagnieren und die deutsche Wirtschaftsleistung, als größte Volkswirtschaft Europas, um 0,7% schrumpfen. Das macht es wahrscheinlich, dass die amerikanische Geldpolitik auch weiterhin sehr konservativ auftreten kann, während in Europa die Geldpolitik gleichzeitig vermehrt auf rezessive Tendenzen in ihren Volkswirtschaften achten müssen. Diese Entwicklung spricht eher dagegen, dass die aktuelle Dollarstärke an den Devisenmärkten bald verschwinden wird.