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KW 41/21 – Unser Chefvolkswirt kommentiert

In den vergangenen Tagen meldeten sich zwei prominente internationale Organisationen zur weiteren Entwicklung der Wirtschaft zu Wort. Die Welthandelsorganisation (WTO) nahm dabei eine optimistische Position ein und erhöhte ihre Prognose für das Wachstum des Welthandels in diesem und nächstem Jahr auf 10,8% bzw. 4,7%. Als Erklärung verwies die Organisation auf die Wiederbelebung der Wirtschaftstätigkeit insbesondere in der ersten Jahreshälfte. Laut ihrer Darstellung würde der diesjährige Anstieg des Warenhandels die größte Zunahme gegenüber dem Vorjahr seit 2010 darstellen. Im März prognostizierte die WTO noch, dass der Handel in 2021 um lediglich 8% und in 2022 um 4% steigen würde. Jedoch wurde auch vor den Risiken eines Inflationsschubs gewarnt, der die Zentralbanken dazu bewegen könnte, ihre expansive Geldpolitik vorzeitig einzustellen. „Dies könnte zu negativen Effekten führen, die schließlich die Handelsströme beeinträchtigen würden“.

Etwas vorsichtiger klang es beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Dieser vermeldete, dass die Risiken für eine breite wirtschaftliche Erholung aufgrund einer anhaltenden weltweiten Kluft bei den Impfungen, einer erhöhten Inflation und einer steigenden Verschuldung zunehmen. Der Fonds erwartet eine leichte Abschwächung des weltweiten BIP-Wachstums im Vergleich zu seiner 6%-Prognose vom Juli. In Bezug auf die Inflation sieht der IWF, dass der Preisdruck in den meisten Ländern im nächsten Jahr nachlassen wird.

In den USA zeigten sich die jüngsten Berichte aus der Wirtschaft gemischt. Die ISM-Umfrage im Dienstleistungssektor im September verbesserte sich unerwartet, nachdem bereits in der Vorwoche eine überraschende Zunahme im verarbeitenden Gewerbe verzeichnet wurde. Die Erholung am US-Arbeitsmarkt schwächte sich hingegen ab, da im September lediglich 194.000 neue Jobs geschaffen wurden. Im Vormonat lag die Zahl noch bei 366.000. Außerdem gingen Ökonomen von einem Anstieg um 500.000 aus.

Die überraschend schwachen Arbeitsmarktzahlen könnten der US-Notenbank Fed Kopfschmerzen bereiten, da sie wenig Argumentationshilfe für eine Abkehr von ihrer Krisen-Geldpolitik liefern. Eine nachhaltige Erholung am US-Arbeitsmarkt gilt nämlich, neben der mittelfristigen Erreichung des Inflationsziels von 2%, als Voraussetzung dafür, dass die Fed ihre ultra-lockere Geldpolitik zurückfährt. Nach den überraschenden Zahlen vom US-Arbeitsmarkt gibt es laut Präsidentin der Fed-Niederlassung in San Francisco, Mary Daly, jedoch keinen Grund zu übertriebenen Sorgen bzgl. des Aufschwungs: „Es ist zu früh zu sagen, dass er ins Stocken geraten ist“, sagte sie. Man sehe aber durchaus, wie Covid und die Delta-Variante den Arbeitsmarkt beeinträchtigen. Sie erwarte deshalb ein weiteres Auf und Ab der Arbeitsmarktentwicklung.

Die europäischen Wirtschaftsdaten präsentierten sich durchgehend von ihrer schwachen Seite. Sowohl in der Eurozone als auch in Deutschland gingen die Konjunkturerwartungen seitens der Finanzexperten im Oktober erneut zurück. Das Stimmungsbarometer des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) fiel gegenüber dem Vormonat stärker als erwartet. Noch im Mai hatte der Indikator den höchsten Stand seit gut zwei Dekaden erreicht und ist seitdem fünf Mal in Folge gesunken. Der Präsident des ZEW, Achim Wambach, sagte hierzu: „Der konjunkturelle Ausblick für die deutsche Wirtschaft hat sich spürbar eingetrübt“. Der erneute Rückgang der Konjunkturerwartungen gehe hauptsächlich auf bestehende Lieferengpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten zurück. Auch die Einschätzung zur aktuellen Lage trübte sich erstmals seit Februar ein.

Außerdem brachen in Deutschland die Auftragseingänge und die Industrieproduktion im August um 7,7% bzw. 4,0% auf Monatssicht ein. Beide Zahlen fielen deutlich schwächer aus als erwartet und wurden stark von der Schwäche des Automobilsektors getrieben. Daten des Verbands der Deutschen Automobilindustrie signalisieren nur eine leichte Erholung der Pkw-Produktion im September und lassen wenig Hoffnung auf eine wesentliche Verbesserung zum Ende des dritten Quartals aufkommen.

Eine zusätzliche Belastung für die Verbraucher stellen die steigenden Energiekosten dar. Laut Bruegel, einem ökonomischen Think-Tank aus Brüssel, müssen Haushalte diesen Winter durch rekordhohe Gas- und Strompreise mit Mehrkosten in Höhe von 100 Mrd. Euro rechnen. Zwar haben bereits einige Regierungen Subventionen und andere Hilfeleistungen zugesagt, es würden jedoch noch viel mehr benötigt.

Der Chefökonom der EZB, Philip Lane, wehrt sich indes weiter gegen die Befürchtungen über die beschleunigte Inflation. Es gebe „sehr solide Beweise“, dass der aktuelle Anstieg nicht von Dauer sein wird. Außerhalb der EZB mehren sich derweil die Einschätzungen, dass die Inflation zumindest vorerst deutlich erhöht sein könnte. Jüngst hat beispielsweise die Commerzbank ihre Inflationsprognosen angehoben und rechnet damit, dass im Laufe des Jahres eine Fünf vor dem Komma stehen könnte. Bereits im Sommer hielt die Bundesbank Inflationsraten um die vier Prozent zum Jahresende für möglich. Interessant werden hierzu sicherlich auch die detaillierten Prognosen der internationalen Organisationen sein, wie z.B. die des IWF, welche in dieser Woche veröffentlicht werden.