Hotline:  089 588 055 491

KW 41/22 – Unser Chefvolkswirt kommentiert

In Washington findet in dieser Woche die Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) statt. Bereits vor Veröffentlichung der detaillierten Prognosen wurde bekannt, dass ungefähr ein Drittel der globalen Wirtschaft nächstes Jahr in mindestens zwei aufeinanderfolgenden Quartalen ein negatives Wirtschaftswachstum vorweisen könnte. Dies ist die Definition einer Rezession. Laut IWF-Chefin Kristalina Georgiewa sind die Hauptgründe für diese düstere Prognose die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und Naturkatastrophen infolge des Klimawandels. Bei den drei großen Wirtschaftsmächten sei eine Abkühlung der Wirtschaft laut IWF erkennbar: In Europa schwächelt die Konjunktur hauptsächlich aufgrund steigender Energiepreise. In China dämpfen die Corona-Maßnahmen und die damit einhergehende Unterbrechung von Lieferketten die wirtschaftliche Entwicklung. Und die USA zeigen aktuell zwar noch einen soliden Arbeitsmarkt, aber die strikte Zinspolitik der US-Notenbank Fed bremst das Wachstum hier aus.
Inzwischen gibt es aber erste Anzeichen, dass selbst der US-Arbeitsmarkt Bremsspuren aufweist. Die Zahl der offenen Stellen in den USA ist im August so stark gesunken wie seit Beginn der Pandemie nicht mehr. Dies dürfte ein willkommenes Zeichen für die Fed sein, die versucht, die Nachfrage nach Arbeitskräften zu schwächen, ohne einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verursachen. Die Zahl der verfügbaren Stellen ging im August auf etwa 10,1 Mio. zurück, gegenüber 11,2 Mio. im Juli. Infolgedessen kommen jetzt auf jeden Arbeitslosen etwa 1,7 Arbeitsplätze, gegenüber etwa zwei im Juli, was der geringste Wert seit November letzten Jahres ist. Gleichzeitig verlangsamte sich das Beschäftigungswachstum im September, wobei die Zahl der Beschäftigten um 263.000 stieg, nach 315.000 im Vormonat. Die Arbeitslosenquote ging währenddessen unerwartet von 3,7% auf 3,5% zurück, da mehr Menschen die Erwerbsbevölkerung verließen.
Nichtsdestotrotz bekräftigten Fed-Vertreter ihre Unterstützung für eine Fortsetzung der Zinserhöhungen und betonten die Notwendigkeit, die unerwartet hartnäckige Inflation zu bekämpfen. Fünf Notenbankmitglieder verkündeten im Laufe eines Tages in getrennten Äußerungen die Botschaft, dass die Inflation zu hoch sei und dass sich die Mitglieder nicht durch die Volatilität der Finanzmärkte von einer Zinserhöhung abhalten lassen würden. Die Leitzinsen könnten bis Anfang 2023 von derzeit 3% bis 3,25% auf 4,5% bis 4,75% steigen. Die nächste Sitzung ist für den 1. und 2. November angesetzt.
In der Eurozone zeigten sich die Meldungen aus der Wirtschaft weiterhin schlecht: Die Einzelhandelsumsätze sanken im August um 0,3% gegenüber dem Vormonat, der dritte Rückgang in Folge, da die rekordhohe Inflation die Kaufkraft schwächt. Im selben Monat stiegen die Erzeugerpreise in der Industrie auf ein Allzeithoch von 43,4% im Jahresvergleich, nach 38,0% im Vormonat. Dieser Anstieg sollte die Verbraucherpreise weiter unter Aufwärtsdruck setzen. Einer EZB-Umfrage zufolge erwarten die Haushalte in den nächsten 12 Monaten eine Inflation von 5% und in den nächsten drei Jahren einen Preisanstieg von 3%. In Deutschland zeigt sich das Bild ähnlich: Die Einzelhandelsumsätze gingen um 1,3% gegenüber dem Vormonat zurück. Unterdessen fielen die Auftragseingänge in der Industrie im August um 2,4% gegenüber dem Vormonat. In ähnlicher Weise ging die Industrieproduktion um 0,8% gegenüber dem Vormonat zurück.
Trotz dieser negativen Nachrichten sagte der Präsident der französischen Zentralbank, Francois Villeroy de Galhau, dass die EZB die Zinssätze auf ihren Sitzungen im Oktober und Dezember weiterhin in großen Schritten anheben sollte, bevor sie möglicherweise zu einem langsameren Tempo übergeht. Er befürwortet weitere Zinsanhebungen, um den Einlagensatz bis Ende des Jahres von aktuell 0,75% auf „unter oder nahe“ 2% zu bringen. Dies sei ein Niveau, das seiner Meinung nach ein neutrales Niveau darstelle.
Die Nachrichten der Wirtschaftsindikatoren fallen derzeit wiederholt schlecht aus, während die Zinsen und die Inflation weiter ansteigen. Dieser Gegenwind trübt die konjunkturellen Aussichten zunehmend ein. Man kann dies aktuell besonders gut an den Revisionen der Konjunkturprognosen erkennen. So senkte die Bundesregierung ihre BIP-Prognose für 2022 von 2,2% auf 1,4% und rechnet für das nächste Jahr mit einem Abrutschen Deutschlands in die Rezession. Die Wirtschaftsleistung soll dann aufgrund der Energiekrise um 0,4% zurückgehen. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der aktuellen IWF-Prognose: Während der Fonds bei seinem Sommer-Update noch von einem Wachstum in Höhe von 0,8% in 2023 ausging, soll die deutsche Volkswirtschaft nun um 0,3% in 2023 schrumpfen. Wie lange diese Phase der Herabstufungen der Prognosen anhält, hängt von der Entwicklung vieler Risikofaktoren, wie z.B. der Inflation, ab, die schwer vorherzusagen sind. Die Ökonomen des IWFs schätzen währenddessen die Wahrscheinlichkeit, dass die Wirtschaft schlechter abschneiden könnte als in ihrer Haupt-Prognose angegeben, als relativ hoch ein. Noch könnte also das Ende der Fahnenstange bei den Revisionen der Konjunkturprognosen nicht erreicht sein.