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KW 42/22 – Unser Chefvolkswirt kommentiert

Das Thema Inflation, die Auswirkungen des stetigen Preisanstiegs auf die Wirtschaft und die Antwort der Notenbanken darauf stehen weiterhin im Zentrum der Aufmerksamkeit. So erklärten in einer aktuellen Umfrage in Frankreich 73% der Befragten, dass der Kampf gegen die Inflation für sie an vorderster Stelle steht. 80% wollen aufgrund rekordhoher Inflation weniger Geld ausgeben. Das Institut der Wirtschaft in Berlin berichtet, dass die deutsche Gesellschaft in diesem Jahr 160 Mrd. Euro sparen möchte, angesichts gestiegener Preise und der hohen Unsicherheit seit Beginn des Kriegs in der Ukraine. Die aktuellen Konjunkturdaten geben keinen Grund zur Vermutung, dass sich die Gesamtlage bald zum Besseren ändern wird.
In Amerika stiegen die Konsumentenpreise im September immer noch um 8,2% und damit fast so sehr wie im Vormonat. Die Analysten hatten im Vorfeld mit einem etwas geringerem Anstieg gerechnet. Die Produzentenpreise stiegen im Vergleich zum Vormonat ebenfalls mehr als erwartet, selbst wenn man die Preise für Nahrungsmittel und Energie ausklammert Das spricht dafür, dass der Druck auf die Inflation vorerst weiter anhalten wird. Dies wiederum hinterlässt bereits Bremsspuren im privaten Konsum. Die Einzelhandelsumsätze blieben gegenüber dem vergangenen Monat unverändert, anstatt wie erwartet sich um 0,2% zu erhöhen. Zudem trübten sich die Erwartungen der Verbraucher unerwarteter Weise ein, wie die Universität von Michigan in ihrer monatlichen Umfrage zum Konsumklima berichtete.
In Deutschland bestätigte das Bundesstatistikamt ihre Schätzung der Inflation für den September. Demnach sind die Preise in diesem Monat um 10,0% gestiegen, bzw. sogar fast um 11%, wenn man die EU-harmonisierte Rechenweise zugrunde legt. Ähnlich wie in Amerika ist auch hierzulande der Druck auf die Konsumentenpreise weiterhin hoch. So stiegen die Großhandelspreise gegenüber dem Vorjahr im September um fast 20% und damit noch mehr als im Monat davor. Wie sehr sich dieser Preisanstieg unmittelbar auf die Wirtschaft auswirkt, wird man voraussichtlich Ende Oktober erfahren. Dann berichtet das Statistikamt, wie sich die deutschen Einzelhandelsumsätze im September entwickelt haben. Die Meldung für den August wurde bereits von -1,3% auf -1,8% herunterkorrigiert. Außerdem wird am 28. Oktober die erste Schätzung veröffentlicht, wie sich das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal geschlagen hat. Die Mehrheit der von der Nachrichtenagentur Bloomberg befragten Volkswirte rechnet für Deutschland mit einem Rückgang, der -0,2% betragen könnte.
Auch der mittelfristige Ausblick ist unerfreulich. Die Analysten von Bloomberg berichteten diese Woche, dass die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA in den kommenden 12 Monaten gemäß deren Prognosemodelle bei 100% liegt. Vor einem Monat waren es noch 65%. Für Deutschland rechnen die vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) befragten Finanzmarktexperten ebenfalls mit einer Rezession, auch wenn sich die Erwartungen geringfügig verbessert haben. Die Wahrscheinlichkeit für einen Rückgang des realen Bruttoinlandsproduktes im Laufe der nächsten sechs Monate ist erheblich gestiegen, erklärt ZEW Präsident Achim Wambach die Ergebnisse der Umfrage.
Auch die Europäische Zentralbank selbst ist zunehmend pessimistisch, was die Konjunktur angeht. EZB Vizepräsident Luis de Guindos räumte zuletzt ein, dass die Wirtschaft des Euroraums über einen Zeitraum von zwei Quartalen schrumpfen könnte. Eine derartige wirtschaftliche Flaute sollte die Nachfrage dämpfen und damit den Preisauftrieb verringern. Doch dies alleine wird nicht reichen, um die Inflation deutlich zu dämpfen, wie der niederländische Notenbankchef und EZB Ratsmitglied Klaas Knot erklärt. Dafür bedarf es weiterer Anstrengungen seitens der Notenbank.
In einer Reihe von Reden haben die Ratsmitglieder der EZB erklärt, wie diese „Anstrengungen“ in den nächsten Monaten aussehen werden. Im November und Dezember wird es zwei „signifikante“ Zinsschritte geben, von jeweils 0,75% und 0,5% bis 0,75%. Auf diese Weise wäre bis zum Jahresende das Ziel von 2% im Einlagensatz erreicht, im Vergleich zu den heutigen 0,75%. Damit hätte der Leitzins ein „neutrales“ Niveau erreicht, welches die Wirtschaft weder stimuliert noch bremst. Im kommenden Jahr wird es zu weiteren Zinsschritten kommen, wobei sich das Ausmaß der Schritte verlangsamen wird. Der belgische Notenbankchef und EZB Ratsmitglied Pierre Wunsch erachtet ein Zielniveau der Leitzinsen von 3% angesichts der beispielslosen Inflation als „nicht unvernünftig“ und fügte hinzu, dass er auch nicht überrascht wäre, wenn „wir irgendwann über 3% gehen müssten“. Gleichzeitig mahnte Bundesbankpräsident Joachim Nagel davor, die Zinserhöhungen nicht zu früh einzustellen. „Wir dürfen nicht nachlassen, bevor die Preisstabilität wiederhergestellt ist“, ergänzte er. Bis das Inflationsziel von 2% wieder erreicht ist, könnte es allerdings noch einige Zeit dauern. Denn selbst die EZB rechnet in 2024 immer noch mit einer Inflationsrate von 2,4% und sieht sich damit noch nicht am Ziel.