Immer mehr Indikatoren deuten darauf hin, dass sich die wirtschaftliche Erholung in vielen Ländern verlangsamt hat. Dabei bremsen insbesondere der Materialmangel und die Lieferengpässe neben der anhaltenden Pandemie die Erholung. Damit einhergehend bleiben die Preissteigerungen vorerst hoch, was ein Dilemma für die Notenbanken darstellt (wie in der letzten Woche berichtet). Die Veröffentlichung der neusten Inflations- und Wachstumszahlen und die EZB-Sitzung in dieser Woche stehen daher besonders im Fokus.
In den USA verschlechterte sich im Oktober der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe stärker als erwartet. Aufgrund des Materialmangels und der Lieferengpässe waren die Auftragsbestände dabei so hoch wie seit 2009 nicht mehr und die Lieferzeiten im verarbeitenden Gewerbe so lang wie seit 2007 nicht mehr. Positiv zu vermerken ist zumindest, dass der für die US-Wirtschaft wichtige Dienstleistungssektor laut dem Umfrageinstitut IHS Markit stärker expandierte als prognostiziert.
Das sogenannte Beige Book der US-Notenbank Fed, eine qualitative Bewertung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den USA, bestätigte die Abschwächung des Wachstums und einen Anstieg der Preise. Das geringe Angebot an Arbeitskräften veranlasste demnach die Unternehmen, die Löhne zu erhöhen, um Arbeitskräfte anzulocken und zu halten. Da die Arbeitskräfte weiterhin knapp sind, ist die Anzahl der Entlassungen zudem niedrig, was die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung auf einen neuen Tiefstand fallen ließ.
Auch in der Eurozone führte die globale Angebotsverknappung zu einer drastischen Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit, sodass die jüngste Einkaufsmanagerumfrage auf den schwächsten Stand seit April fiel. Verzögerungen in der Lieferkette schränken die Produktion ein und treiben die Preise weiter in die Höhe, so IHS Markit. Das BIP-Wachstum scheint sich zu Beginn des 4. Quartals deutlich abzuschwächen, nachdem es im 2. und 3. Quartal noch stark zugenommen hatte. Engpässe wurden als Hauptursache für einen Rekordanstieg der Inputkosten angesehen. Die Unternehmen gaben diese Kosten an die Kunden weiter, wobei die Verkaufspreise so schnell stiegen wie seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr. Um den Auftragsstau zu bewältigen, wurden auch verstärkt neue Mitarbeiter eingestellt, wobei der Dienstleistungssektor den größten Beschäftigungszuwachs seit 2007 verzeichnete.
Deutschland führt dabei den Abschwung in der Eurozone laut den Einkaufsmanagerumfragen an. Eine Ursache hierfür ist die Größe der Industrie hierzulande, die besonders von den Lieferengpässen und dem Materialmangel betroffen ist. Der entsprechende Indexwert für das verarbeitende Gewerbe erreichte dabei ein Neunmonatstief. Auch das Münchner Ifo-Institut schätzt die Stimmung in der deutschen Wirtschaft schlechter ein. Der deutschen Wirtschaft stehe laut Institut ein ungemütlicher Herbst bevor. Der vielbeachtete Geschäftsklimaindex trübte sich zum vierten Mal in Folge ein. Neben der Industrie leiden wohl inzwischen auch Dienstleister und der Einzelhandel zusehends unter den Engpässen und Lieferschwierigkeiten. Besonders deutlich werde das in der Autobranche, der etwa Halbleiter fehlen. Hier sei die Kapazitätsauslastung von zuletzt 85,2 auf aktuell nur noch 78,2 Prozent gesunken. Diese Entwicklung bestätigt auch die Deutsche Bundesbank. Die Wirtschaftsleistung werde „wohl auch im Herbst ihr Vorkrisenniveau vom Schlussquartal 2019 noch verfehlen“, schreibt die Zentralbank dazu in ihrem aktuellen Monatsbericht. Auch die Preissteigerungen könnten sich weiter fortsetzen. Viele deutsche Unternehmen würden nun ihre Preise anheben, erwartet das ifo-Institut. In der Industrie etwa wolle rund jedes zweite Unternehmen an der Preisschraube drehen, ein Rekordwert. Zudem strebe mehr als jeder zweite Einzelhändler Preiserhöhungen an.
Bei der kommenden EZB-Sitzung am Donnerstag in dieser Woche wird das Hauptaugenmerk daher auf den genauen Aussagen von Präsidentin Christine Lagarde liegen, insbesondere vor dem Hintergrund des weltweiten Anstiegs der Inflation und der Straffung der Geldpolitik durch die Zentralbanken in anderen Ländern. Ökonomen gehen davon aus, dass die Zinssätze bis mindestens 2023 konstant gehalten werden, wohingegen einige Investoren auf eine Anhebung bereits im nächsten Jahr wetten. Außerdem wird die EZB voraussichtlich damit beginnen, die Grundlage für die Entscheidung über das Anleihenkaufprogramm zu schaffen, die vermutlich während des Dezember-Treffens erfolgen wird. Interessant werden in diesem Zusammenhang auch die Veröffentlichungen der Inflations- und BIP-Wachstumszahlen in vielen europäischen Ländern in dieser Woche sein. Denn weiterhin kursiert die Angst vor einer „Stagflation“, die eine schwache wirtschaftliche Entwicklung gepaart mit einer hohen Inflation beschreibt. Für Notenbanken ist solch eine Entwicklung ein Dilemma, da sie, wenn sie durch eine Zinsanhebung den Preisanstieg eindämmen wollen, das Wirtschaftswachstum noch weiter abwürgen könnten. Vermutlich werden die anstehenden Zahlen dieses Dilemma jedoch auch nicht lösen können.