Die in der letzten Woche veröffentlichten Daten zur wirtschaftlichen Entwicklung im vergangenen Quartal zeigten die Erholung der ökonomischen Aktivität über den Sommer hinweg. So stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Eurozone um 2,2% gegenüber dem Vorquartal und damit schneller als in der USA mit etwa 0,5%. Die französische Wirtschaft expandierte sogar um 3,0%, während die deutsche Ökonomie mit 1,8% etwas weniger zulegte. Damit liegt das BIP der Eurozone bei 99,5% seines Niveaus vom vierten Quartal 2019, dem letzten Quartal vor der Pandemie, das nicht von der Krise beeinflusst war. Die europäische Wirtschaftsleistung liegt jedoch immer noch hinter der in den USA, die dort bereits 1,4% über dem Vorpandemiewert liegt. Frankreichs BIP befindet sich fast auf dem Niveau vor der Pandemie (-0,1%), während Deutschland noch mit 1,5% hinterherhinkt. Die Ursache dafür dürfte wohl der größere Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Wirtschaft in Deutschland im Vergleich zu Frankreich sein. Die Industrie leidet nämlich weiterhin unter den Lieferengpässen und der Materialknappheit.
Der private Konsum stellte dabei die wichtigste Wachstumsstütze dar, während die Investitionen stagnierten. Passend dazu hat sich in den USA das Verbrauchervertrauen im Oktober verbessert. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartungen haben sich aufgehellt, was auf eine Belebung der Wirtschaftstätigkeit nach dem relativ schwachen dritten Quartal hindeutet. Gleichzeitig gingen die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung von 291.000 auf 281.000 weiter zurück und näherten sich damit dem Vorkrisenniveau an. Die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe ging jedoch laut einer ISM-Umfrage weiter zurück, wenn auch nur leicht. Die Inflation beschleunigte sich derweil im September auf 4,4%, nachdem im August noch 4,2% verzeichnet wurden. Ohne Lebensmittel und Energie stiegen die Preise im Jahresvergleich um 3,6%, was den Zuwächsen der vorangegangenen drei Monate entspricht und den höchsten Wert seit 1991 darstellt.
Trotz der sich abkühlenden Stimmung, die in den letzten Wochen beobachtet werden konnte, verbesserte sich die Umfrage der EU-Kommission über das Wirtschaftsvertrauen im Oktober entgegen den Erwartungen. Der entsprechende Indikator liegt damit weiterhin in der Nähe des im Juli erreichten Allzeithochs. Aber auch diesseits des Atlantiks machte die Inflation einen weiteren Sprung nach oben und stieg im September auf 4,1% im Jahresvergleich, gegenüber 3,4% im Oktober, was deutlich über den Erwartungen lag. Die Kerninflation (ohne Lebensmittel und Energie) stieg weiter auf 2,1% im Jahresvergleich und übertraf damit zum ersten Mal seit 2002 das Ziel der EZB von 2%. Der große Treiber bei der Gesamtinflation sind die Energiekosten. Die Preiszunahme lag dort bei 23,5% und trägt damit 2,2 Prozentpunkte zur Gesamtinflation bei.
In Deutschland gab es eher gemischte Signale aus der Wirtschaft. Das Ifo-Geschäftsklima ist im Oktober den vierten Monat in Folge gesunken, wobei sich die Probleme nun auch auf den Dienstleistungssektor und den Einzelhandel ausweiten. Die Einzelhandelsumsätze schrumpften entsprechend im September um 2,5% gegenüber dem Vormonat. Im Vergleich zum Vorkrisenmonat Februar 2020 lagen die Einzelhandelsumsätze kaufkraftbereinigt jedoch immer noch um 3,7% höher. Unterdessen hat sich das Konsumklima im Oktober aber überraschend verbessert, während die Preiserwartungen den höchsten Stand seit 2008 erreichten. Die privaten Haushalte beginnen möglicherweise, über einen längeren Zeitraum hinweg mit einer höheren Inflation zu rechnen und ziehen daher Käufe vor, während sie früher mit vorübergehenden Preisanstiegen rechneten, die zum Aufschub von Käufen einluden. Die „harten“ Daten, wie die bereits genannten Einzelhandelsumsätze, bestätigen dies jedoch (noch) nicht. Unterstützend für die Erholung ist aber weiterhin der Arbeitsmarkt: Im Oktober waren 39.000 Personen weniger arbeitslos, während die Arbeitslosenquote auf 5,4% sank und damit nur 0,4 Prozentpunkte über dem Niveau vor der Pandemie lag. Auch hierzulande stieg die Inflation im Oktober auf 4,5%, verglichen mit 4,1% im September. Die Bundesbank geht davon aus, dass die Inflation in den kommenden Monaten weiter ansteigen wird, bevor sie dann allmählich zurückgeht.
Diese rasant ansteigenden Inflationsraten bereiten den Zentralbanken weiterhin Kopfschmerzen, denn der Druck die ultra-lockere Geldpolitik zurückzufahren steigt, je länger die Preissteigerungen andauern. Nach der EZB-Sitzung in der letzten Woche wies Präsidentin Christine Lagarde die Erwartungen der Anleger jedoch zurück, dass die Zentralbank bereits im nächsten Jahr die Zinsen anheben könnte, um den rasanten Preisanstieg zu bremsen, auch wenn sie einräumte, dass die jüngste Sitzung des EZB-Rats von der Diskussion über die Inflation dominiert wurde. Die Notenbank erklärte, dass ihr Pandemie-Notfallankaufprogramm (PEPP) in Höhe von 1,85 Mrd. Euro fortgesetzt werde, wenn auch in einem „moderat langsameren Tempo“ als bisher.
Nachdem sich der EZB-Rat in der letzten Woche getroffen hat, ist nun die US-Fed in dieser Woche an der Reihe. Hier wird erwartet, dass die Zentralbank ankündigen wird, dass sie ihr Anleihenkaufprogramm auslaufen lassen wird. Darüber hinaus findet auch die nächste Sitzung der Bank of England in dieser Woche statt. Aufgrund von Aussagen seitens der englischen Zentralbank in den letzten Wochen rechnen die Finanzmärkte damit, dass evtl. schon in dieser Woche, spätestens aber im Dezember eine Zinserhöhung stattfinden könnte.
Es bleibt dabei, dass es die Notenbanken bei der Rücknahme der ultra-lockeren Geldpolitik nicht leicht haben. Während die Inflationsraten weiter hoch bleiben, könnte die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Monaten stagnieren („Stagflation“). Darüber dürfen auch die eingangs erwähnten, hohen BIP-Wachstumszahlen nicht hinwegtäuschen, denn sie spiegeln größtenteils den Aufschwung während der „Wiedereröffnung“ der Volkswirtschaften nach den Lockdowns wider. Dies bedeutet, dass sich diese Wachstumsraten wahrscheinlich nicht so bald wiederholen werden.