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KW 47/22 – Unser Chefvolkswirt kommentiert

Bereits während der vorletzten Woche wurde das Thema Inflation eingehend diskutiert, denn die US-Verbraucherinflation war im Oktober überraschend stark zurückgegangen. Die Börsen hatten darauf erleichtert reagiert, da die Anleger auf verlangsamte Zinserhöhungen seitens der Notenbanken hofften. Die Frage, ob und wann der Höhepunkt der Preissteigerungen erreicht ist, ist jedoch noch nicht vollends geklärt und wird noch einige Zeit das Nachrichtengeschehen bestimmen.
Die Verbraucherpreisinflation in der Eurozone erreichte im Oktober nämlich nochmals ein Rekordhoch von 10,6%. Zumindest war dieser Wert etwas niedriger als in einer vorläufigen Schätzung, in der man noch von 10,7% ausging. Dennoch ist der Sprung von 9,9% im September weiterhin hoch. Laut EZB-Vizepräsident Luis de Guindos wird die Inflation in der Eurozone wahrscheinlich noch monatelang auf hohem Niveau bleiben. Gleichzeitig lasten die hohen Preissteigerungen und die damit einhergehenden hohen Zinsen auf dem konjunkturellen Ausblick: Laut der monatlichen Bloomberg-Umfrage erwarten Ökonomen weiterhin den Beginn einer Rezession in der Eurozone im vierten Quartal.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte dennoch die Botschaft der Zentralbank, dass die Zinssätze möglicherweise auf ein Niveau angehoben werden müssen, das das Wirtschaftswachstum begrenzt, um die Inflation zu senken. Es wird erwartet, dass die EZB den Einlagensatz im Dezember von 1,5% auf 2,0% anheben wird.
Doch es gibt auch positive Signale zu vermelden, was die Inflation betrifft. In Deutschland gingen im Oktober die Erzeugerpreise um 4,2% im Vergleich zum September zurück, während Analysten mit einem weiteren Anstieg gerechnet hatten. Dies war der erste Rückgang seit Mai 2020 und lässt die Hoffnung aufkommen, dass die Steigerungen bei den Verbraucherpreisen bald ihren Höhepunkt gesehen haben könnten. Die Produzentenpreise gelten nämlich als Vorläufer für die weitere Entwicklung der Verbraucherpreise. Sicher ist diese Entwicklung aber keineswegs. Durch erhöhte Lohnabschlüsse, wie beispielsweise die 5,2%, die die IG Metall für 2023 kürzlich ausgehandelt hat, stehen die Unternehmen vor einem weiteren Kostenschub. Diese gestiegenen Lohnkosten könnten sie dann wiederum an ihre Kunden weiterreichen. Dass den deutschen Verbrauchern durchaus noch eine gewisse Zeit höherer Preissteigerungen bevorstehen könnte, bestätigt auch eine Umfrage des Münchner ifo-Instituts. Demnach reichen deutsche Unternehmen die höheren Kosten bisher nicht vollständig an ihre Kunden weiter, sondern sie haben dies bisher erst zu 34% getan. Grund für die nur teilweise Weitergabe seien eine schwache Nachfrage seitens der Verbraucher, hoher Wettbewerbsdruck und langfristige Vertragslaufzeiten. Bis April 2023 wollen die Unternehmen jedoch die Weitergabe auf 50% erhöhen, was einen erhöhten Druck auf die Verbraucherpreise darstellen könnte.
Auch in den USA wurden jüngst Daten zu den Erzeugerpreisen veröffentlicht. Der Anstieg der Preise blieb im Oktober mit 0,2% im Monatsvergleich unverändert, wobei ein Anstieg um 0,4% erwartet worden war. Die Importpreise gingen währenddessen weiter zurück. Trotz des zögerlichen Abnehmens des Preisdrucks, gab es jedoch Stimmen innerhalb der US-Notenbank Fed, die für eine weitere Verschärfung der Geldpolitik eintreten. Der Präsident der Fed von St. Louis, James Bullard, erklärte beispielsweise, die Zinssätze müssten mindestens auf 5-5,25% steigen, um die Inflation einzudämmen. Aktuell befinden sich die Leitzinsen bei 3,75-4%.
Angesichts der hohen Belastungen durch die Inflation greifen die US-Verbraucher zunehmend auf Kreditkarten zurück, um ihren Konsum zu finanzieren. Die Fed meldete in ihrer vierteljährlichen Umfrage eine stärkere Nachfrage nach Kreditkartenkrediten. Die US-Verbraucher profitieren auch von einem nach wie vor soliden Arbeitsmarkt, auf dem die wöchentlichen Anträge auf Arbeitslosenunterstützung weiterhin auf einem niedrigen Niveau liegen. Folglich zeigten sich die Einzelhandelsumsätze zu Beginn des vierten Quartals robust und stiegen im Oktober stärker als erwartet um 1,3%.
Nichtsdestotrotz gibt es weiterhin rezessive Signale für die US-Wirtschaft. Der Abstand zwischen den Renditen zweijähriger und zehnjähriger US-Staatsanleihen erreichte in der vergangenen Woche 0,71 Prozentpunkte, was bedeutet, dass die so genannte Umkehrung der Renditekurve der Staatsanleihen den höchsten Stand seit dem Jahr 2000 erreicht hat. Nach früheren Umkehrungen der Renditekurve kam es in den USA für gewöhnlich zu Rezessionen. In der Regel signalisieren sie, dass die Anleger glauben, die Zinsen würden das Wirtschaftswachstum bremsen.
Aktuell herrscht eine erhöhte Unsicherheit auf den Märkten zur zukünftigen Entwicklung der Inflation und des Wirtschaftswachstums. Welche Implikationen diese erhöhte Unsicherheit auf die Geldpolitik der Notenbanken hat, wird in unserem aktuellen monatlichen Fokus-Artikel diskutiert. Einen etwas genaueren Einblick in die Stimmungslage unter den Notenbankern dürften die Protokolle der letzten Notenbanksitzungen der Fed und der EZB geben, die in dieser Woche veröffentlicht werden.