Die weltweiten Aktienmärkte haben sich in der vergangenen Woche deutlich von ihrem Schock durch das Auftauchen der Omikron Variante erholt. Die US-Aktienmärkte erlebten dabei ihre stärkste Woche seit Februar, wobei der Leitindex S&P 500 einen Wochenanstieg von 3,8% verzeichnete und am Freitag auf einem neuen Rekordhoch die Woche beendete. Zum einen ist diese Aufholjagd der nachlassenden Ungewissheit bzgl. der neuen Virusvariante geschuldet. Neuste Daten lassen nämlich darauf schließen, dass die verfügbaren Impfstoffe (zumindest nach einer Auffrischung) einen gewissen Schutz gegen Omikron bieten, was die Börsen aufatmen ließ. Zum anderen nahmen die US-Märkte die am vergangenen Freitag veröffentlichten Inflationsraten aus den USA eher positiv auf.
Dies scheint zunächst verwunderlich. Denn die Inflation ist im November weiterhin stark angestiegen: Die Verbraucherpreise legten im vergangenem Monat um 6,8% zu (nach 6,2% im Oktober), was der schnellste Anstieg seit fast 40 Jahren ist. Jedoch waren die Märkte offenbar auf eine unangenehme Überraschung, also einen noch höheren Wert eingestellt, wie es in den letzten Monaten oft der Fall gewesen war. Doch dieses Mal stimmte die veröffentlichte Rate aber genau mit den Vorhersagen der Ökonomen überein. Dies dämpfte die Befürchtungen, dass die US-Notenbank Fed gezwungen sein könnte, noch früher als ohnehin schon erwartet ihre geldpolitischen Zügel anzuziehen.
Gleichzeitig scheint sich die Lage auf dem US-Arbeitsmarkt weiter zu verbessern. Die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung fielen mit 184.000 auf den tiefsten Stand seit September 1969, verglichen mit 227.000 in der Vorwoche. Außerdem haben die Arbeitgeber offensichtlich Schwierigkeiten, ihre Stellen zu besetzen, obwohl sie höhere Löhne anbieten. Die Zahl der offenen Stellen stieg im Oktober sprunghaft auf 11 Mio. an und erreichte damit den zweithöchsten Stand aller Zeiten. Die Zahl der offenen Stellen übertraf dabei die Zahl der arbeitslosen Amerikaner um den höchsten je registrierten Wert. Allerdings ging die Kündigungsrate in diesem Monat zum ersten Mal seit Mai zurück, was darauf hindeutet, dass es den Arbeitgebern besser gelingt, die vorhandenen Arbeitskräfte von einem Jobwechselabzuhalten. Vor diesem Hintergrund verbesserte sich die Stimmung der US-Verbraucher im Dezember deutlich.
Die anhaltend hohe Inflation und die positive Entwicklung auf dem US-Arbeitsmarkt werden den Handlungsdruck auf die Fed aber weiterhin aufrechterhalten. Die Fed wird sich dazu nach ihrer zweitägigen Sitzung am 16. Dezember äußern. Es wird erwartet, dass die US-Notenbank ankündigen wird, dass sie ihr Programm zum Ankauf von Vermögenswerten schneller zurückfahren und damit das Tempo verdoppeln wird, das sie erst vor einem Monat festgelegt hat. Ziel ist es, das Anleihekaufprogramm einige Monate früher zu beenden, um der Notenbank die Flexibilität zu geben, die Zinssätze, wenn nötig, bald anheben zu können.
In der Eurozone wurde die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im dritten Quartal mit 2,2% im Vergleich zum Vorquartal bestätigt. Die Details zur BIP-Veröffentlichung zeigten, dass der Konsum der Hauptantreiber war (+4,1% im Vergleich zum Vorquartal), während die Investitionen nachgaben (-0,9%). Auch der Arbeitsmarkt hat sich im Währungsgebiet weiter erholt: Die Beschäftigung in der Eurozone lag im dritten Quartal 0,9% über dem Vorquartalswert, bzw. 2,1% über dem Wert des Vorjahresquartals. In Deutschland wurde die bereits veröffentlichte Inflationsrate indes bestätigt: Die Inflation (auf Basis des EU harmonisierten Warenkorbs) lief im November heiß und hat mit 6% im November den höchsten Wert seit Anfang der 1990er Jahre erreicht, was nochmal deutlich über dem Wert der Eurozone von 4,9% liegt.
Die Europäische Zentralbank (EZB) wird daher bei ihrer Sitzung am 16. Dezember die Anleihekaufprogramme der Zentralbank ebenso heiß diskutieren müssen. Die anhaltend hohen Inflationsraten und die Erholung auf dem Arbeitsmarkt stehen der Unsicherheit bedingt durch die hohen Infektionszahlen in Europa und die Omikron Variante gegenüber. Nach Angaben von Reuters werden sich die Entscheidungsträger möglicherweise nur auf eine kurze und begrenzte Erhöhung des seit 2015 laufenden EZB-Programms zum Ankauf von Vermögenswerten festlegen, nachdem das Pandemie-Notkaufprogramm der EZB im März auslaufen wird.
Auch im Vereinigten Königreich steht in dieser Woche die Sitzung der Bank of England an. Hier war bis vor Kurzem fest mit einer Anhebung der Zinsen gerechnet worden. Inzwischen wetten die Marktteilnehmer aber zunehmend darauf, dass die Bank of England ihren Leitzins angesichts der zunehmenden Unsicherheiten nicht anheben wird. Bestärkt könnte dies durch die jüngste Veröffentlichung des monatlichen BIP-Wachstums worden sein. Dieses schwächte sich im Oktober stärker ab als erwartet und stieg nur um 0,1% gegenüber dem Vormonat, obwohl der Monat noch vor dem Auftauchen der neuen Virusvariante lag.
Die aktuelle Woche steht also ganz im Zeichen der Geldpolitik, da die großen Notenbanken ihre letzten Sitzungen in diesem Jahr abhalten. Es wird, insbesondere bei den Pressekonferenzen, interessant sein, wie die Zentralbanken die Risiken für den Ausblick (hohe Infektionszahlen, Omikron-Variante, Lieferengpässe) mit den anhaltend hohen Inflationsraten und einem sich stetig erholenden Arbeitsmarkt abwägen. Die Einschätzung der drei Notenbanken wird wahrscheinlich, gegeben der individuellen Entwicklung in ihren jeweiligen Volkswirtschaften, durchaus unterschiedlich ausfallen. Die Börsen würden sich wohl über ein längeres Offenhalten der Geldschleusen freuen, was eine typische Jahresendrally einläuten könnte.