Diese Woche bringt uns die letzten Zinsentscheidungen der großen Notenbanken in diesem Jahr. Allgemein wird erwartet, dass die US Notenbank Fed und auch die EZB das Ausmaß der Zinsschritte von zuvor 75 Basispunkten auf „nur“ noch 50 Basispunkte verringern werden. Damit dürfte aber das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein, wie Jerome Powell und Christine Lagarde deutlich betonen werden.
Zum einen ist die wirtschaftliche Lage gar nicht so schlecht, allen Unkenrufen zum Trotz. In den USA stiegen die Auftragseingänge in der Industrie im Oktober unerwartet deutlich um 1% im Monatsvergleich. Die Umfrage des Instituts for Supply Management (ISM) für den Dienstleistungssektor konnte ebenfalls stärker als erwartet zulegen. Die wöchentlichen Erstanträge zum Bezug von Arbeitslosengeld sind erneut leicht angestiegen, das Niveau von 230,000 ist historisch betrachtet aber immer noch recht niedrig. Und selbst das darniederliegende Verbrauchervertrauen überraschte mit einem unerwartet starken Anstieg im November, wie die Universität von Michigan in ihrer monatlichen Umfrage berichtet.
Im Euroraum wurde die anfängliche Schätzung des Wachstums im dritten Quartal leicht nach oben korrigiert. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs um 0,3% statt 0,2% wie zuerst gemeldet. Insbesondere die Investitionen konnten deutlich stärker zulegen, als es die von Bloomberg befragten Analysten erwartet hatten. Das lässt vermuten, dass trotz Unsicherheit, gestiegenen Zinsen und höheren Produktionskosten die Industrie sich abseits der energieintensiven Branchen bis jetzt wacker geschlagen hat. Auch die Beschäftigung konnte etwas stärker als zunächst berichtet zulegen, was das Bild eines soliden Arbeitsmarkts erneut unterstreicht.
In dem Maße, wie die tatsächliche Lage besser erscheint als anfänglich befürchtet, verbessert sich auch die Stimmungslage der Finanzexperten. Laut monatlicher Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sind die Erwartungen für die Konjunktur in Deutschland im Dezember auf dem höchsten Stand seit Beginn des russischen Angriffskrieges geklettert.
Zum anderen lässt der Aufwärtstrend bei den Preisen nur langsam nach. Die amerikanischen Konsumentenpreise stiegen im November immer noch um 7,1%. Das war deutlich weniger als der Zuwachs von 7,7% im Vormonat und auch geringer als das von Analysten erwartete Plus von 7,3%. Aber es verdeutlicht auch, dass es bis zum Erreichen des 2%-Inflationsziels noch ein weiter Weg ist. Schätzungen der Notenbanken zufolge, die diese Woche auf den neuesten Stand gebracht werden, dürfte es wohl bis 2025 dauern, bis EZB und Fed den Sieg im Kampf gegen die Inflation erklären können.
Die Anleger dürften auch mit Interesse hören, wie die EZB mit ihrer aufgeblähten Bilanz verfahren möchte. Über die Jahre ist die Notenbank mit ihren Anleihenkäufen zu einem gewichtigen Akteur am Kapitalmarkt geworden. Auch wenn sie ihre Käufe mittlerweile eingestellt hat, so legt sie doch jeden Monat fällige Wertpapiere erneut an und führt dem Markt damit Liquidität zu. Dies passt aber eigentlich nicht mehr zu einer restriktiveren Geldpolitik.
Den ersten Schritt hin zu einer kleineren Notenbankbilanz hat die EZB bereits getan, indem sie Konditionen für ihre langfristigen Offenmarktgeschäfte (die sogenannten TLTROs) rückwirkend verschlechterte. Im Dezember retournierten daher die Geschäftsbanken knapp 450 Mrd. Euro und damit etwa ein Viertel des ausstehenden TLTRO Volumens. Doch dies ist nicht genug, da diese Instrumente nur etwa 21% der EZB Bilanz ausmachen. Im nächsten Schritt wird die EZB daher diese Woche verkünden, wie sie ab dem ersten Quartal 2023 ihre Anleihenbestände abbauen möchte.
Dieser Bilanzabbau könnte auch starke Auswirkungen auf den Kapitalmarkt haben. In 2023 müssen die Staaten große Summen am Markt aufnehmen, um all ihre Maßnahmen zur Eindämmung der Energiekrise zu finanzieren. Und dies zu einem Zeitpunkt, in dem die EZB nicht mehr als Käufer, sondern vielleicht irgendwann auch als Verkäufer auftritt. Mehr Angebot und weniger Nachfrage könnte zu einem Anstieg der Renditen von Bundesanleihen und anderen Staatspapieren führen. Manche Banken rechnen damit, dass 10-jährige Bundesanleihen in 2023 mit knapp 3% rentieren könnten. Dies wiederum dürfte die Anleger erfreuen. Wenn schon alles teurer geworden ist und manch einer bei den Weihnachtsgeschenken erste Einsparungen vornehmen muss, so kann er oder sie sich hoffentlich in 2023 über höhere Zinserträge freuen.