Hotline:  089 588 055 491

KW 51/21 – Unser Chefvolkswirt kommentiert

Die vergangene Woche stand im Zeichen der Geldpolitik, da die einflussreichsten Zentralbanken ihre letzten Sitzungen des Jahres abhielten. So hat die US-Notenbank Fed ihren Kurswechsel hin zu einer restriktiveren Geldpolitik nun offiziell gemacht: Sie wird das Tempo der Rückführung ihrer Anleihekäufe verdoppeln und signalisierte einen schnelleren Zinsanstieg als es die Märkte erwartet hatten. Dies bedeutet ein Ende des Anleihekaufprogramms der Zentralbank bereits im März nächsten Jahres, gefolgt von möglicherweise drei Zinserhöhungen im Jahr 2022. Dadurch würde der Leitzins bis 2024 auf 2,1% steigen. Die Arbeitslosenquote wird nun voraussichtlich auf 3,5% im Jahr 2022 sinken, ein Jahr früher als vor drei Monaten von der Fed vorhergesagt. Außerdem wird der Anstieg der Inflation nicht mehr als „vorübergehend“ bezeichnet, obwohl die Fed weiterhin eine deutliche Verlangsamung der Inflation erwartet. Im Vereinigten Königreich ging die Bank of England (BoE) sogar noch einen Schritt weiter. Da auch sie mehr über die Inflation als über die Wachstumsrisiken besorgt ist, hob sie vergangene Woche ihren Leitzins um 15 Basispunkte auf 0,25% an und überraschte damit einige Marktteilnehmer. Diese hatten zum Teil erwartet, dass die Zentralbank aufgrund der Omikron Variante damit bis Februar warten würde.

Im Gegensatz zur Fed und zur BoE, entschied sich die Europäische Zentralbank (EZB) lediglich für eine vorsichtige Drosselung ihrer Anleihekäufe. Dies spiegelt mehr die Sorge um die von Omikron ausgehende Bedrohung für die Wirtschaft als die Furcht vor einer anhaltend hohen Inflation wider. Die Nettokäufe durch das Notfallkaufprogramm (PEPP) werden wie erwartet im März 2022 auslaufen. Die politischen Entscheidungsträger erklärten jedoch, sie seien bereit, das Programm bei Bedarf wiederaufzunehmen. Da die Zentralbank davon ausgeht, dass die Inflation bis 2023 wieder unter 2% fallen wird, kündigte die EZB an, dass sie ihr älteres Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) im zweiten Quartal 2022 von 20 Mrd. Euro auf 40 Mrd. Euro und im dritten Quartal auf 30 Mrd. Euro aufstocken wird. Schließlich will sie sie ab dem vierten Quartal 2022 wieder auf 20 Mrd. Euro zurückkehren, solange dies zur Erreichung des Inflationsziels der Zentralbank für notwendig erachtet wird.

Die abweichenden Entscheidungen der Zentralbanken spiegeln teils die unterschiedliche Entwicklung in den jeweiligen Wirtschaftsräumen wider. Die US-Wirtschaft steht nämlich weiterhin robust da: So verlangsamte sich die Wirtschaftstätigkeit in den USA zwar laut dem Einkaufmanagerindex im Dezember, die Wirtschaft expandiert aber immer noch mit einem soliden Tempo: Der Index verschlechterte sich um 0,3 Punkte auf 56,9 Zähler, blieb aber weiterhin deutlich über der Schwelle von 50, ab der Wachstum signalisiert wird. Der Inflationsdruck setzt sich fort und zeigte sich bei den Erzeugerpreisen, die im November um den Rekordwert von 9,6% im Jahresvergleich stiegen. Das Statistikamt stellte fest, dass der Preisanstieg „auf breiter Basis“ erfolgte.

In der Eurozone hat sich indes die Konjunktur im Dezember deutlicher abgekühlt, da die zunehmenden Coronavirus-Fälle den Dienstleistern deutlich zusetzen. Infolgedessen fiel der Einkaufsmanagerindex für die Gesamtwirtschaft von 55,4 auf 53,4 Zähler auf ein Neunmonatstief und befindet sich damit näher an der 50 Punkte Schwelle als der entsprechende Wert in den USA. Deutschland hinkt weiterhin der Entwicklung hinterher. Hier fiel der Gesamtindex sogar auf genau 50,0 Punkte im Dezember, was einer wirtschaftlichen Stagnation gleichkommt.

Des Weiteren verschlechtere sich laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) die Laune der deutschen Verbraucher spürbar: Das Konsumklima-Barometer sank nämlich deutlicher als erwartet und den zweiten Monat in Folge. „Hohe Inzidenzen durch die vierte Welle der Corona-Pandemie mit weiteren Beschränkungen sowie deutlich gestiegene Preise setzen dem Konsumklima mehr und mehr zu“, erklärte dazu die GfK. Parallel hat sich die Stimmung unter den deutschen Unternehmen eingetrübt. Der ifo-Geschäftsklimaindex ist im Dezember weiter gefallen. Die verschärfte Pandemielage trifft demnach insbesondere konsumnahe Dienstleister und den Einzelhandel hart. Die Unternehmen bewerteten ihre aktuelle Geschäftslage weniger gut, aber auch der Pessimismus mit Blick auf das erste Halbjahr 2022 nahm zu. Schließlich senkte das Ifo-Institut seine Konjunkturprognose für das kommende Jahr um 1,4 Prozentpunkte und geht jetzt von einem Plus von 3,7% in 2022 aus. Dafür soll die Wirtschaft 2023 stärker wachsen als im Herbst vorhergesagt. Ähnlich sieht das die Deutsche Bundesbank. „Der Aufschwung verschiebt sich zeitlich etwas nach hinten“, erläutert dazu der scheidende Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Im laufenden Jahr erwarten die Ökonomen ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 2,5%. Im Juni waren sie noch von einem Plus von 3,7% für dieses Jahr ausgegangen.

Die auseinanderklaffende wirtschaftliche Entwicklung erklärt teilweise die unterschiedlichen Entscheidungen der großen Zentralbanken in der letzten Woche. Generell wird aber befürchtet, dass das Anziehen der Geldpolitik zu stark ausfallen und so der Wirtschaft ein Schaden zugefügt werden könnte. So geht aus einer jüngsten Umfrage der Bank of America hervor, dass zu schnell handelnde Zentralbanken zum ersten Mal seit Mai 2018 wieder als größtes Risiko angesehen werden. Gefolgt wird dies von Inflation und dem Wiederaufleben von Covid-19. Ob die angelsächsischen Zentralbanken mit ihrem schnelleren Zurücknehmen des geldpolitischen Stimulus zum jetzigen Zeitpunkt richtigliegen, wird man erst im nächsten Jahr sehen. Dieses wird wohl weiterhin von der Pandemie, Lieferschwierigkeiten und Inflationsängsten geprägt sein, während die Unsicherheit bzgl. der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung außergewöhnlich hoch bleiben wird. Dennoch wagen wir einen etwas detaillierteren Blick auf das kommende Jahr in unserem monatlichen Fokusartikel.