Pünktlich zum nahenden Weihnachtsfest mehren sich die Zeichen der Hoffnung auf ein besseres Jahr 2023. Wirtschaftlich gesehen steht zwar eine Talfahrt bevor, doch diese könnte weniger tief ausfallen als befürchtet. So berichtet das Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), dass die befragten Finanzmarktexperten bezüglich der deutschen Konjunkturaussichten im Dezember so hoffnungsvoll waren wie noch nie seit Beginn des russischen Angriffskrieges. ZEW Präsident Achim Wambach erklärte dies damit, dass die große Mehrheit der Finanzmarktexperten einen Rückgang der Inflation in den kommenden Monaten erwarten würde. Zuletzt lag diese bei 10,0% im November, wie das deutsche Statistikamt Destatis vergangene Woche bestätigte.
Ein weiterer Grund für die bessere Stimmung sei laut ZEW die zeitweise Stabilisierung der Energiemärkte. Dies würde den Konjunkturausblick deutlich aufhellen. Das Risiko einer Gasmangellage in diesem Winter hat aus Sicht der Finanzexperten abgenommen, dank eines geringeren Energieverbrauchs und voller Gasspeicher. Diese sind nach der vergangenen Woche mit deutlich kälteren Temperaturen immer noch zu rund 88% gefüllt. Der Chef der Bundesnetzagentur mahnte allerdings, dass es nicht den ganzen Januar und Februar so weitergehen dürfe. Über den gesamten Winter müssten 20% Gas eingespart werden.
Auch die Unternehmenslenker haben sich vom Konjunkturoptimismus anstecken lassen. Wie das Münchner Ifo Institut zu Wochenbeginn meldete, haben sich die Geschäftserwartungen im Dezember den dritten Monat in Folge verbessert. Ifo Präsident Clemens Fuest resümierte das Ergebnis mit der Feststellung, dass sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft merklich aufgehellt habe und die Wirtschaft zum Weihnachtsfest Hoffnung schöpfen würde. Selbst die Einschätzung der aktuellen Lage bewerteten die Unternehmen zum ersten Mal seit sieben Monaten wieder besser.
Trotz verbesserter Stimmung gehen die meisten Forschungsinstitute wie auch die Bundesbank weiterhin davon aus, dass Deutschland eine Rezession bevorsteht. Die Bundesbank rechnet in ihrer neu veröffentlichten Winterprognose damit, dass die deutsche Wirtschaft bis Mitte nächsten Jahres schrumpfen werde angesichts der hohen Energiekosten für Unternehmen und Haushalte. Erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 werde ein leichter Aufschwung einsetzen. Trotz der Energiekrise wird die Wirtschaft aber keinen schweren Einbruch erleben. Für das kommende Jahr erwartet die Bundesbank einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,5%, gefolgt von einem Zuwachs von 1,7% in 2024.
Die Inflation hat zwar ihren Höhepunkt vermutlich überschritten und dürfte im Jahresdurchschnitt in Deutschland 8,6% betragen. Doch der erwartete Rückgang des Preisanstiegs wird nur langsam von statten gehen. Die Bundesbank sieht die Teuerung in 2023 bei 7,2% und in 2024 bei 4,1%. Selbst in 2025 rechnet die Notenbank immer noch mit einer Inflationsrate von 2,8% und damit weiterhin deutlich oberhalb des 2%-Inflationsziels der Europäischen Zentralbank.
Bundesbankpräsident Joachim Nagel sagt daher der Inflation auch weiterhin den Kampf an und ruft seine EZB Kollegen dazu auf, auch weiterhin entschlossen zu handeln und in ihren Bemühungen nicht nachzulassen, die Teuerung zurück zum Inflationsziel zu bringen.
Vergangene Woche erhöhte die EZB wie erwartet die Leitzinsen um 50 Basispunkte, sodass der Einlagensatz nun bei 2% steht. EZB Präsidentin Christine Lagarde bemühte sich aber zu betonen, dass es im neuen Jahr noch eine Zeit lang weitere Zinsschritte dieses Kalibers geben werde. „Wer glaubt, dass dies eine Wendepunkt für die EZB ist, der irrt“, erklärte Frau Lagarde. Es gebe noch einiges zu tun, ein längerer Weg stehe noch bevor. Zudem werde die EZB im März damit beginnen, ihre Bilanz abzubauen. Monatlich werden in 2023 etwa 30 Mrd. Euro an Anleihen aus dem Wertpapierkaufprogramm fällig. Davon will die Notenbank im zweiten Quartal nächsten Jahres durchschnittlich nur 15 Mrd. Euro pro Monat wieder anlegen.
Die Geldmärkte haben daher folgerichtig ihre Erwartungen wie stark die Leitzinsen in 2023 noch steigen werden, nach oben geschraubt. Bis zum Jahresende könnte der Einlagensatz auf 3,8% steigen. Vor dem Zinsentscheid der EZB hatten die Märkte „nur“ mit 3% gerechnet.
Man könnte meinen, ein solcher Anstieg der Leitzinsen werde an der Konjunktur deutliche Bremsspuren verursachen. Doch die EZB sieht nur eine moderate Schrumpfung in den Wintermonaten und rechnet für das Gesamtjahr 2023 immer noch mit einem Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 0,5% während die Inflation von 8,4% in diesem Jahr auf 6,3% in 2023 und weiter auf 3,4% in 2024 sinkt.
Wir haben zwar keinen Einblick, was Frau Lagarde auf ihren Weihnachtswunschzettel geschrieben hat. Aber der Wunsch, dass das Kunststück von nur kleiner Konjunkturdelle und abnehmenden Preisdruck gelingen wird, sollte weit oben stehen. Ob sich dieser Wunsch erfüllt, wird man in den kommenden Monaten erfahren. Bis dahin sollte man sich trotz wieder wärmerer Temperaturen – zumindest in den nächsten Tagen – warm anziehen.