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KW 8/22 – Unser Chefvolkswirt kommentiert

Die Unruhe an den globalen Märkten bleibt weiterhin hoch. Neben fallenden Aktienkursen zeigen beispielsweise US-Staatsanleihen die höchste Volatilität seit den pandemiebedingten Turbulenzen Anfang 2020. Ein Index, der die Volatilität von Staatsanleihen abbildet, erreichte dabei den höchsten Stand seit fast zwei Jahren, da sich die Anleger über die Spannungen an der russisch-ukrainischen Grenze sowie über die anhaltend hohe Inflation und die Aussicht auf eine rasche Straffung der Geldpolitik Sorgen machen. Diesen Sorgen stehen positive Nachrichten aus der Wirtschaft gegenüber, die durch das Zurückfahren der Eindämmungsmaßnahmen gegen das Corona-Virus in vielen Ländern begründet sind.

Befeuert durch die Verschärfung der Krise zwischen Russland und der Ukraine steigen die Energiepreise, die bereits in den letzten Monaten stark zugenommen haben, weiter an. Nach Schätzungen von Bloomberg könnte der Anstieg der Energiepreise die Verbraucher der Eurozone 98 Mrd. Euro (0,8% des BIP) kosten. Die Haushalte könnten den Wachstumseinbruch aber durchaus ausgleichen, indem sie ihre während der Pandemie angesammelten überschüssigen Ersparnisse in Höhe von schätzungsweise 337 Mrd. Euro aufbrauchen. Diese Ersparnisse sind jedoch ungleich verteilt, was darauf hindeutet, dass die Bezieher niedriger Einkommen unverhältnismäßig stark betroffen wären.

Nach der Inflationsüberraschung der letzten Woche in den USA, als der Anstieg der Verbraucherpreise mit 7,5% einen 40-Jahres-Höchststand erreichte, deutet die von den Erzeuger- und Einfuhrpreisen ausgehende Dynamik darauf hin, dass ein Ende noch nicht in Sicht ist. Im Januar stiegen die Erzeugerpreise um 1,0 % gegenüber dem Vormonat und damit doppelt so stark wie erwartet. Die Importpreise legten im selben Monat trotz eines stärkeren Dollars um 2,0% zu und übertrafen damit ebenso die Erwartungen. Die Importpreise für Nicht-Erdölprodukte, die für den zugrundeliegenden Druck auf die Kerninflation aussagekräftiger sind, verzeichneten den stärksten monatlichen Anstieg aller Zeiten.

Den anhaltenden Preissteigerungen und der durch geopolitische Spannungen ausgelösten Unsicherheit steht jedoch, wie eingangs erwähnt, eine positive Entwicklung vieler Konjunkturindikatoren in jüngster Zeit gegenüber. Hintergrund dürfte die abebbende Omikron-Welle sein und die damit einhergehenden Lockerungen der Eindämmungsmaßnahmen in vielen Volkswirtschaften. In den USA stiegen im Januar beispielsweise die Einzelhandelsumsätze um 3,8% im Monatsvergleich und damit fast doppelt so stark wie erwartet.

In der Eurozone kletterte der Einkaufsmanagerindex im Februar deutlich stärker als erwartet und zeigt damit eine schnellere Expansion der wirtschaftlichen Tätigkeit im Währungsgebiet an. Gelockerte Restriktionen hätten für anziehende Nachfrage nach vielen verbrauchernahen Dienstleistungen wie Reisen, Tourismus gesorgt, teilte dazu IHS Markit-Chefökonom Chris Williamson mit. „Der Ausblick fiel ebenfalls wieder optimistischer aus, da die Unternehmen auf eine weitere Konjunkturerholung hoffen, was wiederum die Einstellungsbereitschaft steigen ließ.“

Ähnlich zeigte sich das Bild in Deutschland. Der Einkaufsmanagerindex kletterte hier auf den besten Wert seit August 2021. Auch in Deutschland war der Servicesektor die treibende Kraft, trotz weiterhin rekordhohen Neuinfektionen, was Experten als Zeichen dafür sehen, dass sich viele Dienstleister auf die Corona-Pandemie besser eingestellt haben. Der Sektor könnte in naher Zukunft sogar noch stärker von gelockerten Corona-Maßnahmen profitieren, da ab dem 20. März die „tiefgreifenden Schutzmaßnahmen“ entfallen sollen.

Nachdem sich in der Vorwoche bereits die Stimmung unter Anlegern laut ZEW-Institut in Deutschland gebessert hatte, hat sich nun auch die Einschätzung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft im Februar überraschend deutlich aufgehellt. Der Geschäftsklimaindex des Ifo-Instituts stieg den zweiten Monat in Folge. „Die deutsche Wirtschaft setzt auf ein Ende der Coronakrise“, sagte dazu Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Führungskräfte beurteilten demnach sowohl ihre Geschäftslage als auch die Aussichten für die kommenden sechs Monate deutlich besser als zuletzt.

Auch Deutschlands Außenhandel scheint sich erfreulich zu entwickeln. Laut dem Statistischem Bundesamt stiegen die Exporte in Drittstaaten (außerhalb der EU) deutlich. Sie legten im Januar um 9,4% verglichen mit Dezember 2021 zu (bzw. +10,5% im Vergleich zum Vorjahresmonat). Außerdem lagen die Ausfuhren in Drittstaaten 19,3% über dem Niveau von Februar 2020, dem Monat vor der Corona-Krise. Wichtigste Handelspartner (außerhalb der EU) waren demnach die USA und China. An fünfter Stelle stand Russland. Hier könnte der Handel jedoch aufgrund von Sanktionsmaßnahmen der westlichen Staaten in Zusammenhang mit der Ukraine Krise zurückgehen.

Die Zuspitzung der Krise um die Ukraine stellt somit einen Risikofaktor dar, wie auch das Ifo-Institut betont. Die jüngsten positiven wirtschaftlichen Entwicklungen aufgrund des Abebbens der Omikron-Welle und der Lockerung vieler Maßnahmen könnten durch eine weitere Verschärfung der Krise in Osteuropa daher zumindest gedämpft werden. Auf mögliche wirtschaftliche Auswirkungen der Spannungen in Osteuropa geht unser Fokusartikel in diesem Monat ein.