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OECD warnt vor verschlechterter Kreditqualität am Anleihenmarkt – Ein Weckruf für Anleger?

Am 18. Februar veröffentlichte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) eine neue Studie zur Geldpolitik. Betrachtet wurden Auswirkungen auf die Unternehmensanleihen-Märkte und daraus resultierende Gefahren für die Finanzmarktstabilität. Diese Studie: „Corporate Bond Market Trends, Emerging Risks and Monetary Policy“ erfuhr hohe mediale Aufmerksamkeit.

 

Anleihen: Status quo verschlechtert

Angetrieben durch die expansive Geldpolitik seit der weltweiten Finanzkrise 2008, kletterten die Unternehmensschulden in Form von Anleihen global auf ein Rekordniveau. Seit 2008 hat sich ihr Volumen fast verdoppelt. Dieses betrug Ende 2019 preisbereinigt 13.5 Billionen US-Dollar für Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Auf Grund der niedrigen Zinsen konnten sich Gesellschaften stärker verschulden, ohne an Kreditwürdigkeit einzubüßen. Dadurch sind die Unternehmen im Durchschnitt heute deutlich höher verschuldet, als noch vor zehn Jahren. Ihre Kreditwürdigkeit wird vor allem durch Ratingagenturen beurteilt. Diese vollziehen eine Zweiteilung in „Investment Grade“ und „Non-Investment Grade“ Anleihen. Letzteres umfasst alle Anleihen, die sich unterhalb eines BBB Ratings befinden (also BB, B, CCC usw.) – es sind Investitionen mit erhöhter Ausfallwahrscheinlichkeit. In den letzten drei Jahren waren mehr als die Hälfte aller neu emittierten Unternehmensanleihen BBB Ratings. Sie befanden sich also an der Herabstufungsschwelle zu „Non-Investment Grade“. Die durchschnittliche Qualität des Anleihenmarktes hat sich damit deutlich verschlechtert. Vordefinierte Risikopräferenzen der Investoren stützen sich auf diese Ratings. Auch Zentralbanken, wie die Bank of Japan (BoJ), die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England (BoE), kaufen beispielsweise nur Anleihen mit „Investment-Grade“ Rating.

 

Geldpolitischer Ausstieg vom Ausstieg

Ende 2018 gab es noch viele Hinweise auf einen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik. Die Notenbank der USA (FED) hatte schon im Dezember 2015 mit Zinsanhebung begonnen. Die BoE zog im August 2018 nach. Derweil beendete die EZB ihr „asset purchase programme“. Als Folge fiel auch die weltweite Ausgabe neuer Unternehmensanleihen in der zweiten Hälfte 2018 zurück auf das Niveau von 2011 – dem Höhepunkt der Europäischen Schuldenkrise. Auch die durchschnittliche Qualität von Unternehmensanleihen verbesserte sich; die Zahl der ausstehenden „Non-Investment Grade“ Anleihen sank. Dahinter stand die wachsende Vorsicht von Investoren, die in Befürchtung eines weiteren Zinsanstiegs ihre Nachfrage zurückschraubten. Dazu kam es allerdings nicht. Auf Grund sich eintrübender Konjunkturerwartungen lockerten die Zentralbanken ab Mitte 2019 die Geldpolitik wieder.

Der reduzierte Unternehmensschulden-Anstieg im Jahr 2018 lässt sich jedoch nicht allein mit der Geldpolitik begründen. Auch die Steuerreform in den USA unter US-Präsident Trump trug dazu bei. Denn US-Unternehmen müssen fortan weniger Steuern zahlen, wenn sie ausländische Gewinne in die USA zurückführen. Dadurch sank kurzfristig der Bedarf für externe Kreditaufnahmen; auch seitens US Unternehmen als Investoren verringerte sich die Nachfrage nach Anleihen.

 

Spirale der Anleiherisiken

Heute ausstehende Unternehmensanleihen haben vergleichsweise schwächere Ratings, längere Laufzeiten und einen schlechteren Investorenschutz. Der Anlagedruck durch die expansive Geldpolitik verbesserte die Bedingungen zu Gunsten des Emittenten (Schuldners). Die Risiken für Investoren erhöhten sich. Potentiell verändertes ökonomisches Umfeld, wie beispielsweise deutlich geringeres Wachstum, würde die Wahrscheinlichkeit für Kreditausfälle erhöhen. Ein derartiger Umschwung dürfte sich auch in den Bewertungen der Ratingagenturen widerspiegeln. Gleichermaßen könnte eine Zinserhöhung durch die Notenbank die Zinslast soweit erhöhen, dass sich die Ratings vieler Unternehmensanleihen ebenfalls verschlechtern würden.

 

Gefahr eines Ausverkaufs

Versicherungen verantworten einen bedeutenden Teil des Investitionsvolumens im Unternehmensanleihemarkt der Industriestaaten. Ende 2018 hielten Versicherungen in der Eurozone 35% aller ausstehenden Unternehmensanleihen. Diese unterliegen mitunter einer starken Regulierung durch die Aufsichtsbehörden. Vorgaben beinhalten beispielsweise Anforderungen an den Umfang der Risikogewichte je Ratingklasse. Im Fall eines wirtschaftlichen Abschwungs vermindern sich generell Vermögenswerte, während Verbindlichkeiten gleich hoch bleiben. Dadurch könnte sich das Rating von Anleihen verschlechtern – Investoren, wie beispielsweise Versicherungen, würden regulatorische Mindestanforderungen verfehlen. Dies darf jedoch aus aufsichtsrechtlichen Gründen nicht passieren. Daher müsste die Versicherung niedrig bewertete Anleihen verkaufen und durch Anleihen mit besserem Rating ersetzen.

In der Eurozone halten Investmentfonds mehr als ein Viertel aller ausstehenden Unternehmensanleihen. Diese Fonds werden in ihren Investitionsentscheidungen von regulatorischen Anforderungen sowie eigens festgelegten Regeln geleitet. Bei schlechteren Ratings, ausgelöst durch schwächere Konjunktur oder höhere Zinsen, würden (wie bei Versicherungen) automatisch Unternehmensanleihen verkauft. Verstärkung eventueller negativer Auswirkungen liefert noch die Tatsache, dass der Markt für Unternehmensanleihen nicht sehr liquide ist. Bei einem konjunkturellen Einbruch könnte sich das Rating vieler BBB-Anleihen noch verschlechtern. Dies hätte eine Herabstufung zu „Non-Grade Investments“ durch die Ratingagenturen zur Folge. Moody’s schätzt die Volumina gefährdeter Unternehmensanleihen außerhalb des Finanzsektors auf 261 Milliarden US-Dollar – zuzüglich 239 Milliarden für Anleihen von Finanzinstituten.

 

Unsicherer Ausblick

Für Anleger in Unternehmensanleihen war das vergangene Jahr außergewöhnlich. Doch die exzellente Performance in 2019 (ca. 16% für US BBB-Anleihen) dürfte dieses Jahr nur schwer zu wiederholen sein. Insbesondere dann, wenn die hier beschriebenen Risiken eines Ausverkaufs sich materialisieren sollten. Auch wenn eine erneute Zinsanhebung seitens der Notenbanken aus heutiger Sicht schwer vorstellbar ist: Konjunkturelle Risiken lassen sich nicht von der Hand weisen. Der jüngste Ausbruch des Coronavirus hat diese Unsicherheiten deutlich in Erinnerung gerufen.