Hotline:  089 588 055 491

Ökonomie des Klimawandels

Naturkatastrophen stehen nur selten im Fokus der Volkswirte, obwohl sie regelmäßig wiederkehren. Prominente Beispiele sind Erdbeben in Japan, Wirbelstürme in Amerika, Waldbrände in Südeuropa und niedrige Wasserstände am Rhein. Deren wirtschaftliche Konsequenzen können heftig sein, doch meistens sind sie nur von kurzer Dauer. Hinzu kommt, dass nach der Logik des Bruttoinlandprodukts der Wiederaufbau zerstörter Häuser und der Infrastruktur als positiver Impuls für die Wirtschaft gewertet wird. Damit treten Erdbeben & Co. meist schnell in den Hintergrund der Konjunkturanalyse. Stattdessen stehen Frühindikatoren, der Arbeitsmarkt sowie die Geld- und Fiskalpolitik wieder verstärkt im Rampenlicht.

 

Doch der Klimawandel könnte dafür sorgen, dass sich dies ändert. Eine aktuelle Studie der „World Weather Attribution Initiative“, einer internationalen Expertengruppe, geht davon aus, dass extreme Regenfälle wie dieses Jahr in Deutschland und Belgien an Häufigkeit und Stärke zunehmen werden. Die beispiellosen Regenfälle, die mehr als 200 Menschen das Leben gekostet haben, könnten je nach Klimamodell 1,2 bis 9 Mal häufiger auftreten als in vorindustriellen Zeiten. Die Niederschlagsmenge könnte dabei um 3 bis 19 Prozent höher ausfallen. Hauptautor der Studie, Frank Kreienkamp vom Deutschen Wetterdienst, erklärt dazu, dass die Forscher eine klare Tendenz sehen, dass solche Ereignisse wahrscheinlicher werden.

 

Nicht nur die Klimaforscher, sondern auch die Zentralbanken beschäftigen sich mit dem Klimawandel, seinen wirtschaftlichen Konsequenzen und möglichen Risiken für die Finanzstabilität. Vor wenigen Monaten erst veröffentlichte die Europäische Zentralbank ihren ersten makroökonomischen Klimastresstest. Dabei untersuchte sie die Daten von 2.000 Banken und vier Millionen Unternehmen. Die Analyse zeigte, dass ein Drittel aller Firmenkredite von Banken aus dem Euroraum in einem signifikanten oder zunehmenden Ausmaß von Klimarisiken betroffen ist. Wie Isabell Schnabel, Direktoriumsmitglied der EZB, ausführte, können diese Klimarisiken in Zukunft eine stärkere Rolle bei Kreditentscheidungen spielen, zum Beispiel, ob ein Darlehen vergeben wird und zu welchen Bedingungen.

 

Die wirtschaftlichen Konsequenzen sind allerdings nicht immer eindeutig. Auf der einen Seite steigen für Unternehmen die Kosten. Der CO2 Preis steigt, der Druck umweltfreundlicher zu werden nimmt zu, möglicherweise muss das Geschäftsmodell angepasst werden. Wenn Unternehmen diese höheren Kosten an ihre Kunden weitergeben, könnte dies zu höherer Inflation führen. Ähnliche Folgen hat es, wenn zukünftig häufigere extreme Wetterereignisse die Preise für Lebensmittel steigen lassen. Andererseits könnte der technische Fortschritt zu niedrigeren Preisen für Strom aus erneuerbarer Energie führen.

 

Welche Effekte überwiegen und wohin die Reise gehen könnte, hängt stark davon ab, von welchem Szenario ausgegangen wird. Das „Network for the Greening of the Financial System” (NGFS), ein weltweiter Zusammenschluss von Zentralbanken, hat dazu im Juli einen umfassenden Bericht veröffentlicht. In diesem analysiert das NGFS sechs Szenarien, um die Bandbreite möglicher Entwicklungen abzubilden. Zwei Szenarien betrachten einen geordneten Übergang, der die Erderwärmung bis zum Jahr 2050 auf 1,5 Grad Celsius bzw. unter 2 Grad Celsius begrenzt. Dem gegenüber stehen zwei Szenarien, die von einem ungeordneten Übergang ausgehen, sei es aufgrund divergierender Politiken einzelner Länder oder weil die Politik mit Verspätung, dafür aber umso heftiger sich bemüht, den CO2 Anstieg zu begrenzen. In beiden Fällen gelingt es zwar, den Temperaturanstieg auf unter 2 Grad Celsius einzudämmen, allerdings mit höheren Kosten als im geordneten Fall.

 

Hinzu kommen zwei weitere Szenarien, die auf den derzeit geplanten oder bereits implementierten Maßnahmen beruhen und passenderweise mit „Hot House World“ umschrieben werden. In diesen wird davon ausgegangen, dass der Temperaturanstieg bis 2050 entweder 2,5 Grad oder sogar 3 Grad Celsius betragen wird.

 

Klimarisiken lassen sich grob zwei Kategorien zuordnen. Zum einen Übergangsrisiken, auch Transitionsrisiken genannt. Dabei handelt es sich um Risiken, die beim Übergang in Richtung einer umweltfreundlicheren Wirtschaft entstehen, etwa aufgrund politischer Maßnahmen zum Umweltschutz. Zweitens spricht man von physischen Risiken, womit die Auswirkungen des Klimawandels wie häufigere extreme Wetterereignisse gemeint sind. Beide Arten von Risiken können die Profitabilität von Unternehmen und das Vermögen der Haushalte beeinträchtigen. Auch die Volkswirtschaft insgesamt leidet, wenn Hitzewellen die Produktivität der Arbeitnehmer verringern oder der Klimawandel bei Unternehmen und Privaten zu „gestrandeten“ Vermögenswerten führen. Man denke nur an noch nicht geförderte Ölreserven in der Nordsee oder manche Immobilien in küstennahen Regionen. In Summe können diese Risiken, so das NGFS, die Weltwirtschaft bis zum Jahr 2050 je nach Szenario bis zu 5% Wachstum kosten. Damit verbunden wäre, zumindest auf kurze Sicht, ein moderater Anstieg von Inflation und Arbeitslosigkeit. Steigender Inflationsdruck aufgrund des zu erwartenden Anstiegs der C02 Preise und eine höhere Investitionsnachfrage (beispielsweise in erneuerbare Energien) sollten zu etwas höheren Langfristzinsen führen, prognostiziert das NGFS.

 

Beim Wort „Klimawandel“ denken wir im Allgemeinen häufig nur an die damit einhergehenden Risiken und Kosten, die jedem Einzelnen von uns und der Volkswirtschaft im Ganzen aufgebürdet werden. Doch diesen Kosten stehen auch Chancen gegenüber. In einer aktuellen Studie untersuchte die Investmentbank Goldman Sachs die Pläne der EU Kommission, Treibhausgase in der Europäischen Union bis zum Jahr 2030 netto um wenigstens 55% gegenüber dem Niveau von 1990 zu verringern und bis 2050 C02 Neutralität zu erreichen. Die Kosten der Bemühungen, den C02 Ausstoß zu verringern, belaufen sich nach Schätzungen von Goldman Sachs auf etwa 1% bis zum Jahr 2030. Auf der anderen Seite stehen erwartete „grüne“ Investitionen, die mit 278 Mrd. Euro aus dem Wiederaufbaufonds der EU und mit 1 Bio. Euro mittels des „Green Deal“ Investitionsplans gespeist werden. Insgesamt würden die öffentlichen und privaten Investitionen geschätzte 2% zum Wachstum der Eurozone bis 2030 beitragen. Per Saldo resultiert daraus ein leicht positiver Wachstumsbeitrag über die kommenden Jahre, was in Einklang mit zwei Studien steht, die der Internationale Währungsfonds im Herbst 2020 veröffentlicht hatte. Vorausgesetzt natürlich, dass diese Chancen ergriffen werden. Wie schon Erich Kästner sagte – Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.