Die US-Präsidentschaftswahlen stehen vor der Tür. Seit letzter Woche ist es offiziell: Obamas ehemaliger Vize Joe Biden kandidiert als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Auf dem Parteitag der Demokraten versprach er nach seiner Nominierung „dieses Kapitel amerikanischer Dunkelheit zu beenden“. Damit erinnerte er an die vergangenen, turbulenten Jahre, mit vielen polarisierenden Maßnahmen durch Donald Trump – wie dem Handelskrieg mit China oder seinem oft kritisierten Krisenmanagement der Corona-Krise. In aktuellen Umfragen liegt Joe Biden deutlich vor dem amtierenden Präsidenten. Schlechte Umfragewerte Trumps speisen sich aus dem drastischen wirtschaftlichen Einbruch. Auch das Verhalten des Präsidenten, während der Pandemie bzw. gegenüber der Black Life Matters Bewegung, ist eine mögliche Ursache. Somit hat Joe Biden durchaus eine realistische Chance die Wahlen zu gewinnen. Selbst eine Rückeroberung des Senats (bislang fest in republikanischer Hand) ist denkbar. Dennoch ist bei Wahlprognosen in den USA erfahrungsgemäß Vorsicht geboten. Denn landesweite Umfragen besitzen aufgrund des komplexen Wahlsystems nicht immer eine hohe Aussagekraft. Jedoch ist es durchaus sinnvoll, sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt mit der Person Joe Biden und seiner Agenda zu beschäftigen. Ein interessanter Punkt sind die wirtschaftspolitischen Ansichten des demokratischen Präsidentschaftskandidaten. Was würde sich hier im Fall eines Sieges von Joe Biden ändern?
Wettbewerb mit deutlichen Unterschieden
In der Tat zeigen die wirtschaftspolitischen Einstellungen des Herausforderers und des regierenden Präsidenten markante Unterschiede. Generell stehen Joe Biden und seine Demokraten in Wirtschaftsfragen für einen deutlich größeren staatlichen Einfluss. Donald Trump favorisiert dagegen eher Deregulierung, insbesondere im Umweltbereich. Besonders sichtbar werden die unterschiedlichen Ansichten im Feld der Steuerpolitik. Der amtierende Präsident sorgte in seiner zurückliegenden Amtszeit für Steuersenkungen. Während seiner Regierung wurden die Steuern auf Unternehmens- und Kapitalgewinne spürbar verringert – beispielsweise die Körperschaftsteuer von 35% auf 21%. Joe Biden verkündete hingegen, diese wieder auf 28% anzuheben. Zudem will er den Einkommensspitzensteuersatz von 37% auf 39,6% anheben. So könnte es bei einem Sieg der Demokraten zu einer deutlichen Erhöhung der Steuern kommen.
Steuerideen der Demokraten
Kritiker Joe Bidens sehen bei höheren Steuern die Gefahr schwächerer amerikanischer Aktienmärkte. Aufgrund rückläufiger Unternehmensgewinne könnten US-Aktien an Attraktivität verlieren. Dies würde auch die Gewinne der Privatanleger schmälern. In kurzer Sicht durchaus plausibel. Langfristig könnte jedoch eine andere Entwicklung folgen: Der demokratische Präsidentschaftskandidat will mit den fiskalisch zusätzlich gewonnenen Geldern, der Mittelschicht einen besseren Bildungszugang gewähren. Auch die Verschuldung der Studenten soll reduziert werden. Dies hätte langfristig einen positiven Effekt auf die wirtschaftliche Entwicklung der USA. Ein Teil dieser Mittel soll zudem für die Verbesserung der amerikanischen Infrastruktur eingesetzt werden. Primär wird hier eine „grünere“ Ausrichtung anvisiert. Derartige Zukunftsinvestitionen brächten auch eine Verringerung der künftigen Umweltbelastung. Joe Biden will jedoch nicht nur Steuersenkungen des amtierenden Präsidenten rückgängig machen. Er möchte auch den Kampf gegen Steuervermeidung aufnehmen. Dies hätte Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft – auch auf die deutsche. Eine Schließung von Schlupflöchern für amerikanische Unternehmen in den USA würde die Attraktivität Europas als Standort für Firmenansiedlungen deutlich erhöhen.
Umweltpolitik vor Kehrtwende?
Einen weiteren großen Unterschied zwischen Joe Biden und Donald Trump birgt die Umweltpolitik. Für einen demokratischen Herausforderer hat die Umweltpolitik üblicherweise hohe Bedeutung. Beispielsweise gehört zu den Zielen Bidens, die Rückkehr der USA in das Pariser Klimaabkommen. Jedoch ist eine genaue Definition der Planumsetzung noch nicht vorhanden. Eine Besteuerung von Emissionen, wie in Europa, gilt als eher unwahrscheinlich. Dies würde bedeuten, dass Unternehmen für ihre Emissionen kostenpflichtige Zertifikate kaufen müssen. Joe Biden will vielmehr Gebühren im Handel für Länder installieren, die sich nicht an Umweltauflagen halten. Ziel ist es, dass diese Länder ihre Produktion nicht aufgrund niedriger Umweltstandards effizienter gestalten können als die USA (inklusive daraus resultierender Wettbewerbsvorteile). Weiter brachte der demokratische Präsidentschaftskandidat kürzlich einen zwei Billionen-Dollar-Plan auf die Agenda. Dieser Plan soll dazu beitragen, dass binnen der nächsten vier Jahre die Nutzung von sauberer Energie in den USA erhöht wird. Außerdem soll mit Hilfe des Finanzpaketes ein Großteil des Verkehrssystems elektrifiziert werden. Für Donald Trump spielte umweltfreundliche Wirtschaftspolitik hingegen eine deutlich geringere Rolle. Der amtierende Präsident annullierte fast 70 Umweltvorschriften für Unternehmen, die fossile Energieträger einsetzten; 30 weitere möchte er aufheben. Somit gäbe es bei einem Sieg von Joe Biden eine regelrechte Kehrtwende in der Umweltpolitik im Weißen Haus.
Gemeinsamkeit: Protektionismus
Ebenfalls lohnenswert ist eine Analyse der handelspolitischen Ansichten von Donald Trump und Joe Biden. Hier zeigen sich durchaus Gemeinsamkeiten. Beide haben protektionistische Neigungen. Dennoch sind diese beim amtierenden Präsidenten deutlich stärker ausgeprägt. Aber auch der Herausforderer möchte eindeutig den Kauf von Produkten aus den USA fördern. So erklärte Biden im Rahmen der Corona-Krise: Er will die Produktion von Gesundheitsgütern ins eigene Land verlagern, damit die USA in diesem wichtigen Bereich nicht von anderen Ländern abhängig sind. Auch bewertet Biden die in der Vergangenheit vollzogene Verlagerung von Millionen Arbeitsplätzen ins Ausland als einen Fehler. Dennoch steht er für eine deutlich verhandlungs- und gesprächsbereitere Außenpolitik als der amtierende Präsident. Beispielsweise kritisiert Joe Biden den Handelskrieg von Donald Trump mit China. Unter Biden würden die USA vermutlich die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen (z.B. WHO, WTO oder NATO) intensivieren. Auch würde ein Präsident Biden die Beziehungen zu traditionellen Verbündeten wieder verbessern. Zudem sollen die Gespräche mit dem Iran, bezogen auf das Atomwaffenaufkommen, wieder aufgenommen werden. Insgesamt würde der demokratische Präsidentschaftskandidat die Außenpolitik der USA wohl in deutlich ruhigeres Fahrwasser manövrieren – trotz Beibehaltung protektionistischer Tendenzen.
Richtungsentscheidung am 3. November
Heißt der Sieger der amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November Joe Biden, so wird das Weiße Haus einen spürbaren politischen Wechsel erfahren. Beide Bewerber verfolgen stark unterschiedliche Angebote, insbesondere hinsichtlich der Wirtschaftspolitik. Angesichts guter Umfragewerte, gilt ein Sieg von Joe Biden zurzeit als durchaus möglich. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass aufgrund Corona die aktuelle Situation sehr dynamisch ist. Schaffen es die USA, die Pandemie in den nächsten Wochen weiter unter Kontrolle zu bringen, inklusive einer positiven Entwicklung der US-Wirtschaft? Dies würde wiederum die Siegchancen Donald Trumps deutlich erhöhen. Also gilt es zunächst, den dritten November abzuwarten – als Tag der großen Wahlentscheidung.