Omikron, die im Winter zuerst aufgetauchte Variante des Coronavirus, ist weiter auf dem Vormarsch. Die Virusvariante hat innerhalb kurzer Zeit die zuvor dominierende Delta-Variante verdrängt, die Inzidenzen auf neue Höhen schnellen lassen und etliche Regierungen zur Wiedereinführung mancher Restriktionen gezwungen. In Deutschland bleiben diese Beschränkungen vorerst bestehen, wie die Länderchefs zu Wochenbeginn durchblicken ließen. Erst vergangene Woche hatte der Bundesgesundheitsminister prognostiziert, dass der Höhepunkt der Inzidenzen erst Mitte Februar erreicht sein wird. Die täglichen Fallzahlen könnten dann mehrere Hunderttausend betragen, ähnlich wie etwa in Italien oder Frankreich. Doch die gute Nachricht ist – die Virusvariante ist weniger tödlich als ihre Vorgänger, und sie belastet das Gesundheitswesen im geringeren Maße als vorangegangene Corona-Wellen. Gilt dieser erfreuliche Befund auch für die Wirtschaft Ökonomen hatten bereits beim ersten Auftauchen von Omikron darauf hingewiesen, dass von Corona-Welle zu Corona-Welle der wirtschaftliche Einbruch immer kleiner wurde. Erklärt wurde dies mit den Impffortschritten, der zunehmenden Erfahrung im Umgang mit Covid-19, aber auch mit der Anpassung von Unternehmen und Haushalten an die Umstände der Pandemie.
Harte Konjunkturdaten, die diese Annahme erhärten, sind noch spärlich. Die deutsche Wirtschaft ist im vergangenen Quartal voraussichtlich etwas geschrumpft, wie die Bundesbank in ihrem Januar Monatsbericht schreibt. Grund dafür sei vor allem das wieder verstärkte Pandemiegeschehen. Das Statistikamt wird die genaue Zahl erst am 28. Januar melden. Der Konsens der vom Finanzdienstleister Bloomberg befragten Analysten rechnet mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um nur 0,3%. Zum Vergleich, im ersten Quartal 2021, als die Alpha Variante grassierte, schrumpfte die deutsche Wirtschaft um 1,9%. Für das erste Quartal 2022 rechnen die Analysten bereits wieder mit einem Plus von 0,5%.
Andere Daten, die zeigen wie ausgabefreudig die Haushalte im Dezember waren und wie viel die Unternehmen am Jahresende produziert oder exportiert haben, liegen noch nicht vor. Erst im Februar bzw. im März wird man mehr dazu wissen. Bis dahin verlassen sich Analysten auf Frühindikatoren, die ein Stimmungsbild von Aktieninvestoren, Verbrauchern und Unternehmen zeichnen. Seit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 blicken die Ökonomen auch zunehmend auf alternative, hochfrequente Daten, um ein aktuelles Bild vom Wirtschaftsgeschehen zu bekommen. Insgesamt zeigt dieser Datenkranz ein zuversichtliches Bild.
Finanzanalysten, die sich mit den Aktienmärkten beschäftigen, haben in der Regel auch die Konjunktur im Blick. Denn der Gang der Wirtschaft spielt eine gewichtige Rolle bei der Gewinnentwicklung der Unternehmen. Diese wiederum ist ein entscheidender Treiber der Aktienkursentwicklung. Einen Einblick in die Stimmung der Finanzanalysten und Marktakteure geben die monatlichen Umfragen des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim und der Firma Sentix aus München, bei der mehrere Hundert Experten Auskunft geben. Beide Umfragen konnten sich im Januar deutlicher als erwartet verbessern. Der Präsident des ZEW kommentierte dies mit den Worten: „Die konjunkturelle Schwächephase vom vierten Quartal 2021 dürfte bald überwunden sein. Der wesentliche Grund dafür ist die Vermutung, dass sich die Corona-Inzidenzen bis Frühsommer deutlich abschwächen werden.“
Die Einkaufsmanagerindizes, die von der Firma IHS Markit veröffentlicht werden, zeigen, wie sich von Monat zu Monat die Lagebeurteilung der befragten Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor verändern. Zu Wochenbeginn wurden die Umfrageergebnisse für Januar veröffentlicht. Trotz Lieferengpässen im verarbeitenden Gewerbe und pandemiebedingten Einschränkungen, die vor allem den Dienstleistungssektor treffen, hat sich die Lage der deutschen Industrie unerwartet aufgehellt. Insgesamt erreichte die Stimmung den höchsten Stand seit vier Monaten. Ein ähnliches Bild zeichnete das Geschäftsklima des Ifo Instituts, das sich aufgrund besserer Erwartungen unerwartet stark aufhellte.
Das Konsumklima der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) aus Nürnberg hatte sich kurz vor Weihnachten eingetrübt. Die schlechte Stimmung erklärt sich mit den stark gestiegenen Coronavirus Neuinfektionen und dem Inflationsanstieg im Verlauf des vergangenen Jahres. Für Januar rechnet das GfK mit einer weiteren Verschlechterung ihres Stimmungsbarometers. Einschränkend sei allerdings gesagt, dass das Konsumklima in der Vergangenheit nicht immer ein verlässlicher Vorbote für das tatsächliche Ausgabenverhalten war. Hinzu kommt, dass die Haushalte während der Pandemie beträchtliche Sparpolster angehäuft haben. Die Bundesbank erwartet, dass in 2022 ein Teil der Überschussersparnisse wieder zurück in die Wirtschaft fließen wird. Dies sollte den Konsum in diesem Jahr unterstützen.
Auch die alternativen, hochfrequenten Indikatoren entwickeln sich erfreulich. Zur gleichen Zeit vor einem Jahr waren die Besuche in Geschäften, Bars und Restaurants in den großen Ländern der Eurozone um mehr als 40% im Vergleich zum Vorkrisenniveau eingebrochen. Im Gegensatz dazu beläuft sich der Rückgang aktuell auf etwa 20% und damit weniger als die Hälfte des Einbruchs in 2021. So zumindest die Botschaft der Mobilitätsdaten von Google. Dabei wird unterstellt, dass die Mobilität Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Aktivität erlaubt. Die Entwicklung der Stellenanzeigen auf „Indeed“, einer Internetseite für Arbeitssuchende, lassen vermuten, dass Omikron auch am Arbeitsmarkt keine großen Bremsspuren hinterlassen hat. Die Arbeitslosigkeit sollte demnach weiter fallen und bald wieder den Stand von vor Beginn der Pandemie erreichen.
Ebenso wie die Mobilitätsdaten von Google zeigen die Daten zu Eintrittskartenverkäufen in Kinos, Restaurant-, Hotel und Flugbuchungen zwar Rückgänge von 20% bis 35% im Vergleich zum Vorkrisenniveau an. Doch in der Regel sind diese Einbrüche deutlich kleiner als noch vor einem Jahr. All dies untermauert die Vermutung, dass Omikron die Wirtschaft bis jetzt deutlich weniger belastet als vergangene Corona-Wellen.
Dies dürfte auch die Bundesregierung freuen. Medienberichten zufolge plant Wirtschaftsminister Robert Habeck, die Wachstumserwartungen für 2022 von zuvor 4,1% auf 3,3% zu korrigieren. Das wäre deutlich pessimistischer, als es etwa die Bundesbank erwartet, die von einem Zuwachs in Höhe von 4,2% ausgeht. Doch ein kleiner als befürchteter Omikrondämpfer könnte dafür sorgen, dass Berlin wieder etwas zuversichtlicher auf das Jahr 2022 blicken wird.